By Published On: 21. Juli 2022Categories: Psychologie, Wirtschaft

Ein Leben ohne Fleisch und tierische Produkte – die vegane Lebensweise gewinnt an Popularität, was sich vor allem in den sozialen Medien bemerkbar macht. Die Anzahl an  Personen, die sich selbst als Veganer bezeichnen oder überwiegend auf tierische Produkte verzichten, stieg in den letzten Jahren deutlich an (IfD Allensbach, 2021). Doch ist die Verbreitung der veganen und vegetarischen Ernährungsweise nur ein Trend, der durch soziale Medien wie Instagram und Facebook vorangetrieben wird? Und wird diesem Trend nur gefolgt, weil es „alle machen“? Eine Umfrage in Deutschland im Jahr 2020 zeigte, dass sich vor allem Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 11-19 Jahren dazu entscheiden, sich vegan, vegetarisch oder pescetarisch (kein Verzicht auf Fisch) zu ernähren, gefolgt von der Altersgruppe der 20- 29 Jährigen (SPLENDID RESEARCH, 2020). Gleichzeitig zeigt eine Studie von 2021, dass die meisten der bekannten sozialen Medien in einem Alter von 14-29 Jahren genutzt werden (ARD & ZDF, 2021), was die Frage aufwirft, ob sich Personen dieser Altersgruppe, die sich selbst als Veganer*innen und Vegetarier*innen bezeichnen, durch einen Trend in den sozialen Medien beeinflussen ließen.

Umfrage unter Vegetariern und Veganern zur Ernährungsumstellung nach Einstiegsalter (Quelle: SPLENDID RESEARCH, zitiert nach Statista, 2021)

Beeinflussung durch die soziale Umwelt

Menschen ordnen die Gesellschaft und die soziale Umwelt in Gruppen. Dabei fühlt sich der Mensch selbst zu einer oder mehreren dieser Gruppen zugehörig, wenn in diesen die gleichen Werte und Normen geteilt werden und ähnliche Interessen vorhanden sind (Gerrig & Zimbardo, 2018, S. 659). Diese Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe formt die Identität des Menschen mit: die eigene Gruppe („Ingroup“) unterscheidet sich durch abweichende Werte, Normen, Erwartungen und Haltungen von den anderen Gruppen („Outgroups“), und durch diese Unterscheidung kann der Mensch sich selbst identifizieren und definieren, wer er ist (Kessler & Fritsche, 2018, S. 76). Aufgrund der Identifizierung mit einer Gruppe ist der Mensch beeinflussbar und passt sich an Meinungen und Verhaltensweisen anderer an, um sich weiterhin zu dieser Gruppe zugehörig zu fühlen. Die Tendenz, das eigene Verhalten, Denken und die eigenen Meinungen an die Mehrheit anzupassen, wird soziale Konformität genannt. Diese Konformität, also die Anpassung an die anderen, kann zum einen durch das Bedürfnis nach Anerkennung und Akzeptanz hervorgerufen werden und soll dadurch auch gleichzeitig eine Ablehnung von den anderen vermeiden, was „normativer sozialer Einfluss“ genannt wird. Zum anderen kann diese Anpassung auch dadurch ausgelöst werden, dass die Meinung der anderen aufgrund nachvollziehbarer Informationen und Argumente verstanden und angenommen wird und sich die Person richtig verhalten möchte, was als „informativer sozialer Einfluss“ bezeichnet wird (Gerrig & Zimbardo, 2018, S. 659; Kessler & Fritsche, 2018, S. 145–147; Myers, 2014, S. 606). Die Identität eines Menschen wird also durch Meinungen, Erwartungen und Haltungen des sozialen Umfelds und der Gesellschaft mitgeprägt. Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die sogenannte Selbstdarstellung. Selbstdarstellung bedeutet, dass Menschen sich vor anderen Menschen in einer gewissen Art und Weise verhalten und präsentieren, um zu beeinflussen, was diese uns denken (Jonas, Stroebe & Hewstone, 2014, S. 172).

Die Rolle der Medien

Das wichtigste Alter für die Identitätsbildung einer Person ist die Adoleszenz. In der heutigen Gesellschaft haben Menschen in dieser Lebensphase nicht mehr nur persönlichen Kontakt zu anderen Menschen, durch die ihre Ansichten und ihre Identität beeinflusst werden könnten. Auch soziale Medien ermöglichen mittlerweile Interaktionen und Austauschprozessen untereinander, weshalb diese ebenfalls zu der Entwicklung einer Gruppenzugehörigkeit sowie zu der Bildung einer Identität beitragen („”Medien — Identität — Identifikationen““, 2004, S. 602–603).

Der Zusammenhang von sozialem Einfluss und der veganen Lebensweise

In der heutigen Zeit sind Smartphones und soziale Medien für die meisten Menschen nicht mehr wegzudenken. Da insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene soziale Medien täglich nutzen, und diese Altersphase gleichzeitig essenziell für die Identitätsbildung ist, sind die Themen, Meinungen und Informationen, die in den sozialen Medien diskutiert werden, sehr relevant für die Entwicklung von Denkweisen, Meinungen und Identitäten in dieser Altersgruppe. Das Thema Veganismus verbreitet sich aktuell vor allem in den sozialen Medien, es wird viel diskutiert und informiert und viele Personen zeigen öffentlich, dass sie sich vegan ernähren. Die positiven Ansichten hinsichtlich einer veganen Ernährung bekommen mehr Zustimmung und Popularität, was sich somit auf die Meinungsbildung und Identitätsentwicklung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen auswirkt („”Medien — Identität — Identifikationen““, 2004, S. 602–603) und auch gleichzeitig die Verbreitung des veganen Lebensstils weiter vorantreiben kann.

Das Thema wird dadurch auch im sozialen Umfeld einer Person sowie unter Freunden und Gleichaltrigen immer präsenter. Wenn sich die Gruppe, zu dem sich eine Person zugehörig fühlt, immer mehr mit Thema Veganismus beschäftigt und die Ansicht teilt, dass man sich vegan ernähren sollte, so könnte anhand von Konformität und dem Konzept der Gruppenzugehörigkeit erklärt werden, dass sich diese Person dieser Meinung anpasst, um sich weiterhin zu der Gruppe zugehörig zu fühlen. Zum Beispiel könnte eine junge Studentin, die mit anderen Student*innen befreundet ist und sich dieser Gruppe zugehörig fühlt,  ebenfalls mit einer veganen Ernährung beschäftigen und diese verfolgen, um sich weiterhin mit ihrer Gruppe identifizieren zu können (Gerrig & Zimbardo, 2018, S. 659; Kessler & Fritsche, 2018, S. 76). Es muss jedoch unterschieden werden, wodurch diese Anpassung ausgelöst wurde. Im Sinne des normativen sozialen Einflusses würde sich die Studentin aus dem Beispiel nur vegan ernähren, um die Anerkennung und Akzeptanz ihrer Freunde und Gruppenmitglieder aufrechtzuerhalten und um zu vermeiden, dass sie, wenn sie die vegane Lebensweise nicht vertreten würde, von den anderen abgelehnt werden würde, da sie dann nicht mehr den Werten und Erwartungen der Gruppe entsprechen würde. Andererseits kann es auch sein, dass sich die Studentin intensiv mit dem Thema beschäftigt, sich informiert und mit anderen Personen darüber austauscht. Wird sie durch diese Informationen überzeugt und sieht daraufhin eine vegane Ernährungsweise als richtiges Verhalten an, so wäre dies ein informativer sozialer Einfluss (Gerrig & Zimbardo, 2018, S. 659; Myers, 2014, S. 606).  Dadurch, dass Veganismus in den sozialen Medien so verbreitet ist, kann auch hier eine Art informativer Einfluss stattfinden, indem die Personen öffentlich über das Thema aufklären und informieren. Andererseits können die sozialen Medien auch genutzt werden, um sich selbst vor anderen im Internet positiv darzustellen. So könnte die Studentin aus dem Beispiel regelmäßig in den sozialen Medien zeigen, dass sie sich vegan ernährt, um ihren Freunden, andere Student*innen und auch weiteren Personen in ihrem Umfeld zu demonstrieren, dass sie die Meinung und Ansicht über Veganismus teilt. Dadurch würde sie erreichen, dass die anderen positiv über sie denken (Jonas et al., 2014, S. 172).

Fazit

Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, dass viele junge Personen, die sich für eine vegane Lebensweise entscheiden, von den sozialen Medien und der Gesellschaft beeinflusst wurden. Jedoch bleibt offen, ob dieser Einfluss durch Überzeugung und Informationen stattfindet oder ob sich viele nur vegan ernähren, um sich weiterhin zu ihren Freunden und sozialem Umfeld zugehörig zu fühlen und anerkannt zu werden. Es könnte auch ein Zusammenhang mit dem ebenso wichtigem und aktuellem Thema des Klimawandels geben, wo Umweltschutz und vegane Produkte auch unabhängig von der Ernährung einen relevanten Stellenwert haben und diskutiert werden. Zudem muss auch beachtet werden, dass Werbung und Lebensmittelmarketing ebenfalls einen starken Einfluss auf das Kauf-, Ernährungs- und Meinungsverhalten haben können.


Literatur

ARD & ZDF. (2021). Anteil der Nutzer von Social-Media-Plattformen nach Altersgruppen in Deutschland im Jahr 2021 [Graph]. In Statista. Zugriff am 7.7.2022. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/543605/umfrage/verteilung-der-nutzer-von-social-media-plattformen-nach-altersgruppen-in-deutschland/

Gerrig, R. J. & Zimbardo, P. G. (2018). Psychologie (ps psychologie). (T. Dörfler & J. Roos, Hrsg., A. Klatt, Übers.) (21. Aufl.). Hallbergmoos/Germany: Pearson.

IfD Allensbach. (2021). Personen in Deutschland, die sich selbst als Veganer einordnen oder als Leute, die weitgehend auf tierische Produkte verzichten, in den Jahren 2015 bis 2021 [Graph]. In Statista. Zugriff am 8.7.2022. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/445155/umfrage/umfrage-in-deutschland-zur-anzahl-der-veganer/

Jonas, K., Stroebe, W. & Hewstone, M. (Hrsg.). (2014). Sozialpsychologie (Lehrbuch) (6. Aufl.). Berlin: Springer.

Kessler, T. & Fritsche, I. (2018). Sozialpsychologie (Basiswissen Psychologie). Wiesbaden: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93436-5

”Medien — Identität — Identifikationen“: Tagung der Sektion Jugendsoziologie und der Sektion Medien- und Kommunikationssoziologie der DGS vom 25.–26.2.2005 an der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg. (2004). KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 56(3), 602–603. https://doi.org/10.1007/s11577-004-0104-2

Myers, D. G. (2014). Psychologie (Springer-Lehrbuch) (3. Aufl.). Berlin Heidelberg: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-642-40782-6

SPLENDID RESEARCH. (2020). Mit welchem Alter haben Sie angefangen, sich vegetarisch/vegan/pescetarisch zu ernähren? [Graph]. In Statista. Zugriff am 7.7.2022. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1186013/umfrage/einstiegsalter-vegetarischer-veganer-pescetarischer-ernaehrung/

Beitragsbild

pixabay.com (2015).Zugriff am 15.07.2022. Vegan – Psd – Gesund – Einstellung – Lebensweise – Ernährung. Verfügbar unter https://pixabay.com/de/illustrations/vegan-psd-gesund-einstellung-1091086/

Teile diesen Artikel