By Published On: 19. Oktober 2021Categories: Management, Wirtschaft

Wertemanagement in Organisationen

Einleitung

Ein Job mit Sinn ist zum fundamentalen Entscheidungskriterium für Bewerber*innen geworden (Lackner & Schuster, 2020, S. 404). Statt Arbeitsplatzsicherheit oder Karrierechancen locken junge Arbeitnehmer*innen vor allem starke Werte, mit denen sie sich identifizieren können. Sie suchen nach einer „[…] Sinngemeinschaft, die ähnliche Überzeugungen und Werte teilt, wie man selbst.“ (Fink & Moeller, 2018, S. 16) Doch was sind eigentlich „Werte“ und „Sinn“ und was haben sie am Arbeitsplatz zu suchen?

Was sind Werte, Was ist Sinn? – Theoriehintergrund

Werte können als Grundhaltungen definiert werden, die individuell festlegen, was wichtig und wesentlich (= „wertvoll“) ist (Brohm, 2016, S. 21). Werte haben einen entscheidenden Einfluss auf unser Miteinander in der Gemeinschaft. Sie beeinflussen Ziele und Handeln im Sinne eines subjektiven Orientierungsrahmens wesentlich (Frey, Henninger, Lübke & Kluge, 2016, S. 7; Trommsdorff, 1996, S. 15)

Sie unterscheiden sich von anderen Begriffen wie „Norm“ oder „Motiv“. Werte steuern Verhalten und Handeln unbewusst in Form eines abstrakten, sinngebendes Konstrukts. Normen dagegen sind konkrete Verhaltenserwartungen, Motive sind meist bewusst und kommunzierbar (Frey et al., 2016, S. 7–10).

Die Sinnfrage ist im Zuge der Aufklärung und Zerschlagung von sinngebenden kollektiven Institutionen (Religion) in der Neuzeit aufgekommen. Durch die „Entzauberung“ einer sinngebenden höheren Macht, tritt das eigene Gewissen bei der Sinnfrage in den Vordergrund (Lackner & Schuster, 2020, S. 406). Werte spielen dabei eine wichtige Rolle, denn „[hinter] der Sinnfrage [steht] das Verlangen des Menschen, sein Leben […] nach seinen eigenen Werten gestalten zu können.“ (Lackner & Schuster, 2020, S. 406) Handeln wird als sinnvoll erachtet, wenn es kohärent zu den eigenen Werten steht und in einem größeren Kontext eingebettet ist (Brohm, 2016, S. 35). Das, was wir tun, muss also relevant für eine größere Sache und (nach dem eigenen Bewertungsmaßstab) wertvoll sein.

„Dort, wo man meint, selbst etwas zum Besseren der Welt beitragen zu können, zum Vorteil anderer wie auch zum eigenen Gewinn, entstehen […] sinnvolle Tätigkeitsfelder.“

Lackner & Schuster, 2020, S. 407

Vom Wert sinnvoller Arbeit

Sinn wird im Arbeitskontext häufig mit dem Wort „Purpose“ (=Zweck) umschrieben, das als Antwort auf die Frage „Warum“ gesehen werden kann. Der „Purpose“ einer Organisation ist ihre Mission (Lackner & Schuster, 2020, S. 409). Sinnerleben in der Arbeit schenkt Individuen und damit auch Organisationen Motivation und Energie (Brohm, 2016, S. 35). Weiterhin geben gelebte Werte langfristig Motivation und Bindung (Treier, 2011, S. 141). Werte, die als „sinnhaftig“ verinnerlicht sind, wirken außerdem handlungsleidend bei Unsicherheit oder fehlendem Wissen (Erpenbeck & Sauter, 2020, S. 6). Es ist also nicht aus der Luft gegriffen, dass immer mehr Unternehmen und Organisationen „Wertemanagement“ betreiben. Wertemanagement bedeutet, von innen heraus aktiv eine Organisationskultur zu gestalten, die den Werte- und Sinnvorstellungen der Mitglieder im Kontext globaler Herausforderungen entspricht (Bolsinger, 2018, S. 2; Treier, 2011, S. 141). Wertemanagement ist ein Zusammenspiel aus individuellen Werten („Human Values“), Teamwerten („Team Values“) und Organisationswerten („Corporate Values“), denn individuelle Werte finden sich in kollektiven Werten wieder, die oft in Verhaltensnormen auf organisationaler Ebene sichtbar werden (Erpenbeck & Sauter, 2020, S. 8; Treier, 2011, S. 144). Das bedeutet, dass ein organisational übergreifendes Wertemanagement die Reflexion von Werten auf allen drei Ebenen einschließt (Werteerfassung) und eine Angleichung zum Ziel hat (Erpenbeck & Sauter, 2020, S. 11).

Wertemanagement – Praxisansätze

Wie beschrieben ist der erste Schritt einer Wertemanagement-Aktivität die Erfassung vorhandener Organisations-, Team- und Individualwerte. Für die Analyse vorhandener Werte gibt es eine Reihe von Einschätzungsverfahren für den deutschsprachigen Raum, die bei Erpenbeck und Sauter (2020) aufgelistet sind (Erpenbeck & Sauter, 2020, S. 14–18). Eines dieser Verfahren ist bspw. das KODE®W – Verfahren. Das Verfahren umfasst digitale Fragebögen zur Werteerfassung für alle Ebenen, die vielfältig miteinander verglichen werden können und so ein transparentes Bild der Wertevorstellungen in der Organisation zeigen. Zudem ist ein Vergleich von IST- und WUNSCH-Werten möglich (Erpenbeck & Sauter, 2020, S. 19–22). Das Analyse-Tool bietet die Basis für eine weitere Wertearbeit mit bspw. folgenden Fragestellungen:

  • Welche Werte sind sehr stark gewünscht / auf Individualebene sehr stark ausgeprägt und sollen handlungsleitend für die Unternehmensstrategie sein („Purpose“)?
  • Welche Werte sollen verstärkt werden, um die Unternehmensstrategie zu erreichen?
  • Wie sieht die konkrete Planung für Mitarbeiter-Entwicklungsmaßnahmen sowie Kulturentwicklungsmaßnahmen auf Organisationsebene aus?

Ein ähnliches Tool bietet auch die Cultutral Transformation Tool von Richard Barrett (CTT). Auch hier ermittelt eine Software bildlich die Zusammenhänge zwischen persönlichen Werten, gegenwärtigen und gewünschten Organisationswerten (Bokler & Dipper, 2015, S. 12)

Fazit

Mitarbeiter*innen wählen ihren Arbeitsplatz sehr genau – Wertearbeit lohnt sich! Gerade in Zeiten des Fach- und Führungskräftemangels, in denen Unternehmen um ihre (wertebewussten) Bewerber*innen kämpfen müssen, ist ein gesellschaftlicher Sinn der Organisation und eine wertvolle Unternehmenskultur entscheidendes Alleinstellungsmerkmal (Bolsinger, 2018, S. 2; Lackner & Schuster, 2020, S. 404) Ein aktives und partizipatives Wertemanagement kann hier der Schlüssel sein: Es stellt ein wichtiges Instrument zur Mitarbeitergewinn und -bindung dar (Treier, 2011, S. 141). Als Grundlage für Interventionen dient die Analyse von bestehenden Werten und Sinnsystem(en) von Organisation, Teams und Individuen und die Abfrage des Wunschbildes (siehe CTT, KODE®Wund Andere).

Literatur

Bokler, A. M. & Dipper, M. (2015). Changemanagement mit Cultural Transformation Tools. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10922-6

Bolsinger, H. (2018). Sinnzentriertes Wertemanagement. Nürnberg: OrientierungsKonmpetenz. Zugriff am 11.10.2021. Verfügbar unter: https://www.wirtschaftsethik.biz/publikationen/sinnzentriertes-wertemanagement-wertegrundlagen-fuer-nachhaltiges-management-05032018/

Brohm, M. (2016). Werte, Sinn und Tugenden als Steuerungsgrößen in Organisationen. Für Fach- und Führungskräfte (essentials). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. Verfügbar unter: http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=4676699

Erpenbeck, J. & Sauter, W. (2020). Werteerfassung und Wertemanagement. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30196-5

Fink, F. & Moeller, M. (2018). Purpose Driven Organizations. Sinn – Selbstorganisation – Agilität. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag. https://doi.org/10.34156/9783791040356

Frey, D. (Hrsg.). (2016). Psychologie der Werte. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-48014-4

Frey, D., Henninger, M., Lübke, R. & Kluge, A. (2016). Einführung und konzeptionelle Klärung. In D. Frey (Hrsg.), Psychologie der Werte (S. 1–12). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.

Hänsel, M. (2009). Ich arbeite, also bin ich? Sinnsuche und Sinnkrise im beruflichen Alltag (1. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck Ruprecht.

Janssen, Edzard (Hrsg.) and others (Hrsg.). (1996). Gesellschaften im Umbruch?: Aspekte des Wertewandels in Deutschland, Japan und Osteuropa. München: ludicium.

Lackner, K. & Schuster, M. (2020). Sinn, Zweck und Purpose im Organisationskontext. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 51(4), 403–413. https://doi.org/10.1007/s11612-020-00537-7

Schmid, B. (2009). Selbstfindung und Sinn im Beruf und in der Organisation. In A. Matzenauer (Hrsg.), Ich arbeite, also bin ich? Sinnsuche und Sinnkrise im beruflichen Alltag (1. Aufl., S. 40–52). Göttingen: Vandenhoeck Ruprecht.

Seewann, L. & Liebhart, C. (2019). Wertebildung im Arbeitsleben – generationsspezifische Differenzen und Gemeinsamkeiten. In R. Verwiebe (Hrsg.), Werte und Wertebildung aus interdisziplinärer Perspektive (S. 169–194). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Treier, M. (2011). Personalpsychologie kompakt. Mit Add-on (Anwendung Psychologie, 1. Aufl.). Weinheim: Beltz. Verfügbar unter: http://www.content-select.com/index.php?id=bib_view&ean=9783621279116

Trommsdorff, G. (1996). Werte und Wertewandel im kulturellen Kontext aus psychologischer Sicht. In Janssen, Edzard (Hrsg.) and others (Hrsg.), Gesellschaften im Umbruch?: Aspekte des Wertewandels in Deutschland, Japan und Osteuropa (S. 13–40). München: ludicium. Zugriff am 28.09.2021. Verfügbar unter: http://kops.uni-konstanz.de/handle/123456789/10462

Verwiebe, R. (Hrsg.). (2019). Werte und Wertebildung aus interdisziplinärer Perspektive. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21976-5

Beitragsbild: Photo von Pete Linforth auf Pixabay, URL: https://pixabay.com/de/photos/gesch%c3%a4ft-leistung-werte-coaching-3208596/

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