„Frauen können nicht einparken“, „Engländer haben einen komischen Humor“ oder „Männer reden nicht über Gefühle“ – die klassischen Vorurteile, wer kennt sie nicht? Oft werden diese ausgesprochen, ohne überhaupt über deren Ursprung, Sinnhaftigkeit und möglichen Folgen nachzudenken. Obwohl man sich dies nicht gerne eingesteht, ist kein Mensch frei von Vorurteilen. Wir Menschen stecken andere so schnell in Schubladen, aus denen sie womöglich nie wieder herauskommen, ohne den eigentlichen Grund dafür zu hinterfragen. Vorurteile sind (leider) von Geburt an tägliche Begleiter unseres Alltags und beeinflussen unser Denken und Handeln in hohem Ausmaß.
Begriffserklärung
In der Sozialpsychologie werden Vorurteile als feindselige oder negative Einstellungen gegenüber den Mitgliedern einer bestimmten Gruppe, basierend nur auf dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe, bezeichnet.[1] Menschen werden oft aufgrund der Nationalität, der rassischen und ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Religion, des Aussehens oder des körperlichen Zustands vorverurteilt.[2] Gelegentlich auch aufgrund des Berufs oder eines gewissen Hobbies. Vorurteile können sowohl positiv („Alle Kanadier sind nett“) als auch negativ („Alle Amerikaner ernähren sich ungesund“) behaftet sein. Großteils werden Vorurteile allerdings im Kontext mit negativen Einstellungen gegenüber Fremdgruppen verwendet.[3] Dies kann dazu führen, dass ein Individuum anhand von Merkmalen einer bestimmten Gruppe, wo man davon ausgeht, dass die Person dieser zugehörig ist, verurteilt wird. Weitere Informationen über die Person selbst werden dabei außer Acht gelassen und sie wird sofort in eine „Schublade gesteckt“.[4]
Gründe
Keine Frage, Vorurteile sind unerwünscht, dennoch erfüllen sie gewisse individuelle und soziale Funktionen. Individuelle Funktion von Vorurteilen vereinfachen im kognitiven Bereich die Informationsverarbeitung im Alltag.[5] Sie dienen der Orientierung und helfen Individuen bei der Beurteilung von Situationen.[6] Die Angst vor Neuem oder Ungewohnten wird dadurch gemindert bzw. können Menschen so besser damit umgehen. Die affektive Funktion äußert sich darin, dass Vorurteile selbstwertdienlich sind, d.h. im Vergleich zu anderen bewertet man sich selbst positiv. Weiters unterstützen sie die Emotionsregulation, indem man bspw. jemand anderen die Schuld und Verantwortung für negative Gefühle zuschieben kann. Soziale Funktionen von Vorurteilen dienen der Abgrenzung einer Fremdgruppe, verstärken den Gruppenzusammenhalt und fördern eine positive soziale Identität. Ereignisse, die Vorurteile bestätigen, bleiben eher im Gedächtnis haften, viele andere Dinge, welche nicht mit den Vorurteilen konform sind, werden oftmals gar nicht wahrgenommen. Auch deswegen ist es so schwer, Vorurteile loszuwerden.[7]
Folgen
Obwohl Vorurteile Individuen eher „unauffällig“ begleiten, sind die Folgen enorm. Häufig führen sie zu Streit und Missverständnissen. Wird eine Person immer wieder in bestimmte Schubladen gesteckt und hat nie die Chance, sich so zu zeigen, wie sie wirklich ist, sind Frust und Abwehrhaltung die Folge was weiterführend oft zu Streit führt. In weiterer Folge können sich Vorurteile auf die Betroffenen so auswirken, dass sie gezwungen werden, das zu sein, was man in ihnen sehen will.[8] Durch das Urteilen aufgrund von Vorurteilen reflektieren Menschen ihr Denken und Handeln nicht, sie werden von dem gesteuert, was sie denken zu wissen. Eigenen Erfahrungen wird keine Chance gegeben, da sie oft auf Argumente und Verhaltensweisen zurückgreifen, die ihnen eingeredet oder vorgelebt wurden. Diskriminierungen aufgrund von Vorurteilen gehen im Alltag gelegentlich unter. Sowohl ihm schulischen als auch im beruflichen Umfeld werden behinderte oder übergewichtige Personen und Personen mit Migrationshintergrund von Mitschülern bzw. Mitarbeitern gehänselt, drangsaliert oder gemieden. Dies führt zur sozialen Ungerechtigkeit und bei den von Vorurteilen betroffenen Personen zu einer enormen psychischen Belastung. Vor allem im Hinblick auf Vorurteile aufgrund des Migrationshintergrundes einer Person können negative Vorurteile schwerwiegende gesellschaftliche Folgen haben, in Form von Rassismus, Fremdenhass oder Ausgrenzung einer bestimmten Gruppe. Im Rückblick auf die Weltgeschichte hat sich dies im extremen Hass bis zum Völkermord geäußert. Und daraus sollten wir lernen bzw. mittlerweile gelernt haben![9]
Fazit – Wie kann man Vorurteilen entgegenwirken?
Obwohl wir Menschen wissen, dass Vorurteile nicht unbedingt gut sind, können wir diese leider sehr schwer ablegen. Die bereits in unserem Gedächtnis gespeicherten und somit leicht abrufbaren Informationen können den Umgang mit unbekannten Personen oder Situationen vereinfachen. Ob dies nun richtig ist oder nicht – einfacher ist es auf jeden Fall und wer geht schon gerne den komplizierten Weg? Niemand, doch genau das sollten wir tun! Wir sollten uns mehr auf das „Ungewisse oder Neue“ einlassen, Vielfalt zeigen und fördern und gelegentlich anders als normal sein. Es bedarf einer Einstellungsänderung[10] und die Gemeinsamkeiten der Individuen sollten in den Mittelpunkt rücken, anstatt immer nur die Unterschiede herauszusuchen. Dabei ist es besonders wichtig, das eigene Denken zu reflektieren und Vorurteile in Frage zu stellen. Ebenso sollte nicht aufgrund der sozialen Erwünschtheit gehandelt werden, um nicht selbst in eine Schublade gesteckt zu werden, sondern offen Kritik ausüben. Oftmals reicht es schon aus, wenn man Vorurteile öffentlich kritisch hinterfragt, um dem entgegenwirken zu können.[11] Gerade im Freundeskreis könnte dies andere zum Denken bewegen, denn die vernünftigsten Personen reagieren im Zusammenhang mit Vorurteilen oft sehr irrational. Ein kleiner Hinweis führt vielleicht zu einer kurzen Angespanntheit, kann jedoch im Inneren der vorurteilenden Person einen Denkumschwung auslösen. Oft ist es auch hilfreich, sich mit Personen, gegenüber welchen man Vorurteile hat, auseinanderzusetzen. Dadurch kann man sich ein eigenes Bild machen, welches oftmals den bisherigen Informationen nicht gleicht und somit können gefestigte Denkweisen verändert werden. Bereits im jungen Alter könnten die Vorurteile ein wenig entschärft werden, indem z. B. in Kinderbüchern oder in Lehrmaterialien häufiger Menschen, die von der Gesellschaft als „anders“ abgestempelt werden gezeigt werden (bspw. Leute im Rollstuhl) und den Kindern nicht eingetrichtert wird, was „normal“ ist, sondern die Vielfältigkeit der Menschheit als „normal“ zu betrachten.
[1] Vgl. Fischer, P. et al., 2018, S. 117f.
[2] Vgl. Schmithüsen, F. & Steffgen, G., 2015, S. 149f.
[3] Vgl. Mayer, J. et al., 2020, S. 229
[4] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2006
[5] Vgl. Schmithüsen, F. & Steffgen, G., 2015, S. 150
[6] Vgl. Anne Frank House, o. D. a
[7] Vgl. Schmithüsen, F. & Steffgen, G., 2015, S. 150
[8] Vgl. Josten, B. & Kahnert, I., 2011, S. 119f.
[9] Vgl. Mayer, J. et al., 2020, S. 228f.
[10] Vgl. Garms-Homolová, V.: (2020), S. 32
[11] Vgl. Anne Frank House, o.D. b
Literatur:
Anne Frank House: (o.D. a) Wie entstehen Vorurteile?. Abgerufen am: 24.02.2021. Verfügbar unter: https://www.annefrank.org/de/themen/vorurteile-und-stereotype/wie-entstehen-vorurteile/
Anne Frank House: (o.D. b) Was kann man gegen Vorurteile tun?. Abgerufen am: 24.02.2021. Verfügbar unter: https://www.annefrank.org/de/themen/vorurteile-und-stereotype/was-kann-man-gegen-vorurteile-tun/
Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): (2006) Was sind Vorurteile?, Abgerufen am 24.02.2021. Verfügbar unter: https://www.bpb.de/izpb/9680/was-sind-vorurteile?p=all
Fischer, P. & Jander, K. & Krueger, J.: (2018) Stereotype, Vorurteile und Rassismus. In: Fischer, P. & Jander, K. & Krueger, J.: (2018) Sozialpsychologie für Bachelor. Seite: 115-140. Springer.
Garms-Homolová, V.: (2020) Wege zur Einstellungsänderung und Einstellungsbewahrung. In: Garms-Homolová, V.: (2020) Sozialpsychologie der Einstellungen und Urteilsbildung. Seite: 29- 45. Springer.
Josten, B. & Kahnert, I.: (2011) Vorurteile. In: Johann, T.: (2011) Mitarbeiter erfolgreich führen. Seite 119-128. Springer.
Mayer, J. & Seibt, B. & Werth, L.: (2020) Vorurteile. In: Mayer, J. & Seibt, B. & Werth, L.: (2020) Sozialpsychologie – Der Mensch in sozialen Beziehungen. Seite 227-321. Springer.
Schmithüsen, F. & Steffgen, G.: (2015) Sozialpsychologie – Das Individuum in der Gesellschaft. In. Schmithüsen, F. (2015) Lernskript Psychologie. Springer.
Beitragsbild: „Schubladendenken“, 2021, fotografiert von Patricia Stetter