Jede einzelne Person unserer Gesellschaft ist sich den bestehenden Vorurteilen sowie Stereotypen bewusst und spricht sich meist gegen diese aus. Dennoch sind diese Vorurteile und Stereotype ein fester Bestandteil des alltäglichen Lebens. Trotz der Tatsache, dass Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten und der Antisemitismus einen Rückgang zeigen, sind diese in anderen Kontexten weiterhin präsent. So konnten beispielsweise Angermeyer und Matschinger (2004) zeigen, dass psychisch kranke Personen, vor allem Schizophrene, als unberechenbar und inkompetent gelten. Ebenso gibt es eine vorurteilbehaftete Diskriminierung von Personen mit Migrationshintergrund, wie eine Studie darlegte. Laut dieser Studie sind Bewerber mit muslimischen Namen bei Vorstellungsgesprächen im Vergleich zu deutschen Familiennamen im Nachteil. (Fischer, Jander & Krueger, 2018, S. 120) Aufgrund der Bedeutung von Vorurteilen und Stereotypen im beruflichen Alltag, wird im Folgenden näher auf diesen Kontext eingegangen.
Abgrenzung von Vorurteilen und Stereotypen
Die Begriffe Stereotype und Vorurteile werden im alltäglichen Gebrauch oft fälschlicherweise synonym verwendet. Der Begriff Stereotype nimmt Bezug auf das „unvollständige Wissen über wahrgenommene soziale Gruppen“, wie z. B. das Geschlecht, das Alter, eine Behinderung oder einen Migrationshintergrund. Sie entsprechen neutralen und emotionslosen Erwartungen gegenüber Gruppenmitgliedern. Im Bereich des Arbeitsplatzes sind häufige Stereotypen z. B. „Die Mitarbeiter der EDV-Abteilung sind alle Nerds mit Hornbrillen.“ oder „Alle Manager im Unternehmen sind männlich und tragen immer Anzüge und Aktentaschen.“.
Im Gegensatz zu den Stereotypen sind Vorurteile emotionsgeleitete, persönliche Bewertungen über bestimmte Personen, die auf bestätigten Stereotypen basieren und zur Diskriminierung führen können. Vorurteile werden meist zu schnell und ohne genügend Erfahrung und Informationen gefällt, sind generalisierend, klischeehaft und enthalten mögliche bewertende Attribute. Beispiele hierfür sind „Die Nerds in der EDV sind komische, hochintelligente Einzelgänger – ich habe Angst sie kennen zu lernen.“ oder „Die arroganten und ignoranten Manager bekommen ein zu hohes Gehalt und wissen nicht wie sich die Arbeitnehmer anstrengen müssen.“. (Domsch, Ladwig & Weber, 2019, S. 4–5)
Stereotype im beruflichen Alltag
Durch die steigende Diversifikation in der Berufswelt erfolgt ein Anstieg der mit Stereotypen behafteten Anzahl unterschiedlicher Personengruppen. Die häufigsten Stereotype im beruflichen Alltag betreffen hierbei das Alter, die individuelle sexuelle Orientierung, die ethnische Herkunft sowie die Nationalität und das Geschlecht. Demnach gilt ein homosexueller Mitarbeiter nach Madon (1997) als unfähig in einer Führungsposition, Bestätigung suchend, gefühlsbetont und abhängig von anderen Arbeitnehmern. Ebenso konnten Pettigrew und Mertens (2001) zeigen, dass Personen mit einer Angehörigkeit zu einer ethnischen Minderheitengruppe als minderwertige Menschen angesehen, die die Arbeitsplätze im eigenen Land ungerechterweise beanspruchen. Obwohl die Anzahl berufstätiger Frauen mit der Anzahl berufstätiger Männer gleichzusetzen ist, existieren durch soziale Normen zu geschlechtsspezifischem Verhalten Vorurteile, welches Geschlecht für die Ausübung bestimmter Berufe geeignet scheint. Eine besondere Form der Stereotype bildet hierbei der benevolente Sexismus, die beschützenden Vorurteile, die von einer Unzumutbarkeit gewisser Arbeiten für Frauen ausgehen. (Dietz & Petersen, 2014, S. 7) Empirische Studien zu Altersstereotypen zeigen, dass die Einstellungen gegenüber älteren Arbeitnehmern überwiegend negativ sind. Führungskräfte bzw. Personalleiter äußern in Bezug auf ältere Mitarbeiter Vorurteile zu einem starken Leistungsabfall, eine mangelnde Flexibilität sowie Schwierigkeiten im Umgang mit dem Arbeitsplatz. Diese Ansicht teilen Forschungen zur Kausalitätsfindung von Leistungseinbußen. (Kluge & Krings, 2007, S. 184)
Maßnahmen zum Abbau von Vorurteilen und Stereotypen im Alltag
Für den persönlichen Abbau von Vorurteilen und Stereotypen existieren verschiedene Techniken, wie das Rollenspiel, in welchem durch eine Perspektivenübernahme des vorurteilbehafteten Gegenübers die Erfahrungen und Gefühle des anderen nachvollzogen werden sollen. Ein experimenteller Nachweis ist bei der Re-Kategorisierung durch Aufhebung der Gruppengrenzen durch ein Ersetzen der vorhandenen Kategorie, der De-Kategorisierung durch ein Herausstellen der Individualität der Gruppenmitglieder und der Sub-Kategorisierung durch Hervorhebung der Gruppenzugehörigkeit zur Vergabe einer sozialen Identität gegeben. (Six & Six-Materna, 2000)
Abbaumaßnahmen von Vorurteilen und Stereotypen im Unternehmen
Die Einführung eines geeigneten Diversity-Managements kann das Vorherrschen von Stereotypen und Vorurteilen im Unternehmen reduzieren. Dies erfolgt durch drei verschiedene Ansätze, der Minimierung des Ausmaßes der Vorurteile bei den Angestellten, einer Hemmung der verstärkenden Faktoren sowie einer Unterstützung der abschwächenden Faktoren. Die Verringerung des Ausmaßes der Vorurteile der einzelnen Mitarbeiter erfolgt durch das Prinzip der Kontakthypothese, indem ein positiver Kontakt zwischen den Gruppen hergestellt wird. Sozialpsychologische Forschungen zur Kontakthypothese verweisen jedoch darauf, dass dieser Ansatz nur schwer umsetzbar ist. Ein wichtiger Punkt wäre in diesem Ansatz, dass die Personen, gegen die Vorurteile bestehen, einen gleichen oder höheren Status aufweisen. Aus diesem Grund ist eine Umsetzung der anderen Ansätze erfolgreicher.
Eine Verstärkung der abschwächenden Faktoren wird nach Brief und Barsky (2000) durch einen Drei-Punkte-Plan erreicht. Dies sind zum einen die Umsetzung klarer Unternehmensnormen, die Informationen zu vorurteilsbehafteten Verhaltensweisen vermitteln und zum anderen keine Nutzung von Geschäftspraktiken, die stereotypes Verhalten unterstützen. Als dritte Maßnahme ist eine Formulierung von Einstellungskriterien für die Personalauswahl zu tätigen, welche die Diskriminierung künftiger Arbeitnehmer unterbindet. (Domsch et al., 2019, S. 12–13)
Der dritte Ansatz bezieht sich auf die Reduzierung der verstärkenden Faktoren durch einen Corporate Code im Unternehmen. Diese Corporate Codes umfassen Richtlinien zum Umgang mit Situationen, in denen Vorurteile und Stereotype eine Rolle spielen. Diese Richtlinien müssen von allen Beschäftigten eingehalten werden und bei Nichteinhaltung ist mit Sanktionen zu rechnen. (Domsch et al., 2019, S. 16)
Vorurteile und Stereotype werden auch künftig in jeder Gesellschaft vorhanden sein. Dennoch ist es von Bedeutung, dass jede einzelne Person versucht, Vorurteile abzubauen.
Literatur
Dietz, J. & Petersen, L.-E. (2014). Die Bedeutung von Stereotypen und Vorurteilen für das Diversity Management. In M. Becker & A. Seidel (Hrsg.), Diversity – Unternehmens- und Personalpolitik der Vielfalt. München: Rainer Hampp Verlag. Zugriff am 06.07.2020. Verfügbar unter https://www.researchgate.net/profile/Lars-Eric_Petersen/publication/260226241_Die_Bedeutung_von_Stereotypen_und_Vorurteilen_fur_das_Diversity_Management/links/0046353037347ea1e2000000/Die-Bedeutung-von-Stereotypen-und-Vorurteilen-fuer-das-Diversity-Management.pdf?origin=publication_detail
Domsch, M. E., Ladwig, D. & Weber, F. C. (2019). Vorurteile im Arbeitsleben. Unconscious Bias erkennen, vermeiden und abbauen. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler.
Fischer, P., Jander, K. & Krueger, J. (2018). Sozialpsychologie für Bachelor (Springer-Lehrbuch). Berlin, Heidelberg: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56739-5
Kluge, A. & Krings, F. (2007). Altersdiskriminierung – (k)ein Thema der deutschsprachigen Arbeits- und Organisationspsychologie? Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie A&O, (51), 180–189. Zugriff am 06.07.2020. Verfügbar unter https://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1026/0932-4089.51.4.180
Six, B. & Six-Materna, I. (2000). Vorurteile, Spektrum Akademischer Verlag. Lexikon der Psychologie. Zugriff am 06.07.2020. Verfügbar unter https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/vorurteile/16528
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