By Published On: 15. Januar 2024Categories: Gesundheit, Psychologie, Wiki

Definition

Eine eher traditionelle Definition des Wahns findet sich bei Jasper, welcher diesen als eine schwerwiegend falsche und unkorrigierbare Überzeugung von sich selbst und seiner Umwelt beschreibt. Diese veränderte Wahrnehmung der Realität zeichnet sich durch die folgenden 3 Kriterien aus;

Subjektive Gewissheit (Betroffene sind von der Echtheit ihrer Wahrnehmung überzeugt)

Unkorrigierbarkeit (sie lassen sich nicht vom Gegenteil überzeugen)

Unmöglichkeit des Inhalts (sie erkennen nicht, dass Wahninhalt nicht Real sein kann)

(Dorsch et al., 2014, S.1776; Endriss, 2023, S.238; Hoff, 2016, S.70) .

Inzwischen wird zunehmend die Ansicht vertreten, dass auch Überzeugungen, die der Wahrheit entsprechen -oder zumindest potentiell entsprechen könnten- Inhalt eines Wahns sein können. Der Fokus liegt zudem weniger auf dem Inhalt des Wahns und mehr auf den begleitenden Umstände und den Leidensdruck der Person. Durch das veränderte Erleben wird die Beziehung zu der Umwelt und den Mitmenschen sehr belastet, häufig isolieren sich die Betroffenen. Im Zweifel sollte sich deshalb nicht nur die betroffene Person professionelle Hilfe suchen, auch für Angehörige kann eine Unterstützung notwendig sein, um einen verständnisvollen Umgang mit der erkrankten Person zu wahren (Endriss, 2023, S.240; Knorr & Hoffmann, 2018, S.18; Kornberger, 2017, S.19).

Auftreten

Der Wahn kann als zentrales Merkmal verschiedener psychotischen Erkrankungen wie der Schizophrenie (ICD 10, F20) oder der anhaltenden wahnhaften Störung (F22) auftreten und ist unter der „Positivsymptomatik“ einzuordnen. Er zählt zur Symptomgruppe der inhaltlichen Denkstörungen und tritt in unterschiedlichen Formen auf, wie unter anderem:

Beziehungswahn: Person bezieht alltägliche Ereignisse auf sich selbst „Wenn andere lachen, dann bestimmt über mich!“

Verfolgungswahn: Person hat ständig das unwohle Gefühl, verfolgt zu werden „Andere Personen bedrohen und verfolgen mich!“

Eifersuchtswahn: Person ist davon überzeugt, dass der/die PartnerIn sie betrügt „Der Kassierer hat meiner Frau zugelächelt, die haben bestimmt ein Verhältnis!“

Hypochondrischer Wahn: Person ist davon überzeugt, an einer Krankheit zu leiden „Meine Kopfschmerzen kommen bestimmt von einem Hirntumor!“

(Endriss, 2023, S.239-240; Hoyer & Knappe, 2020, S.949; Moussiopoulou & Falkai, 2023, S.50)

Personen in einem Wahn können das Gefühl haben, verfolgt zu werden. Quelle: Eigene Darstellung

Auch im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen können wahnhafte Symptome auftreten. So wird etwa in einem Fallbeispiel der Memory-Klinik von einer dementen Seniorin berichtet, die der unumstößlichen Überzeugung ist, dass ihr Mann mit dem Sie seit über 35 Jahren verheiratet ist, durch ein Double ersetzt worden sei (Rainer & Krüger-Rainer, 2012, S.7).

Verlauf

Die Grenzen hin zum Wahn sind fließend, ein großer Teil der Menschen hat wohl die ein oder andere irrationale Überzeugung, an der sie festhalten. Erst ab einem gewissen Ausmaß der Überzeugung und deren Auswirkungen auf den Alltag wird von einem Wahn gesprochen (Knorr & Hoffmann, 2018, S.10).

Als Frühsymptome eines beginnenden Wahns treten häufig unterschiedliche akustische und optische Wahrnehmungsstörungen und eine übersteigerte sensorische Wachheit auf. Auch wenn diese Wahrnehmungsstörungen oft nur von kurzer Dauer sind, führen sie dazu, dass Betroffene ihre Umwelt als merkwürdig und fremd erleben. Eine zunehmende emotionale Anspannung und Ratlosigkeit über die als verändert wahrgenommene Umwelt führen dazu, dass die Person die Umwelt in Frage stellt. Um sich die Unstimmigkeiten zu erklären, stellen sie Theorien auf. Ist eine für die betroffene Person als passend erscheinende Theorie gefunden, geht damit die emotionale Anspannung zurück. Die Person erlebt eine Art Schlüsselerlebnis und befindet sich gleichzeitig nun mitten im Wahn. Um die gefundene Theorie nicht zu gefährden werden ihr widersprüchliche Informationen nicht mehr berücksichtigt und jede Erfahrung als vermeintliche Bestätigung der Theorie gewertet (Knorr & Hoffmann, 2018, S.12-14).

Was passiert im Gehirn?

Es gibt Hinweise darauf, dass Wahnvorstellungen im Zusammenhang mit einer dysfunktionalen Dopaminfreisetzung im Gehirn auftreten, wodurch wichtige und unwichtige Reize nicht mehr gut unterschieden werden können. Die betroffene Person schreibt dann eigentlich irrelevanten Umweltreizen eine Bedeutung zu. Auf der anderen Seite könnten diese kognitiven Verzerrungen auch erklären, warum viele PatientInnen mit wahnhaften Symptomen häufig auch eine Negativsymptomatik aufweisen, also eine Verflachung bestimmter psychischer Eigenschaften wie der Motivation. Es wird angenommen, dass Symptome wie Interessen- oder Antriebsverlust dadurch entstehen könnten, dass Betroffene auch eigentlich belohnende Reize nicht mehr als solche wahrnehmen (Pankow et al., 2012, S.41).

Fazit

Der Wahn ist ein Symptom, welches in Zusammenhang mit unterschiedlichen psychischen Störungen, wie etwa der Schizophrenie, auftreten kann. Er tritt in unterschiedlichen Formen auf und zeichnet sich durch eine veränderte, unkorrigierbare Realitätswahrnehmung aus, welche vermutlich mit einer dysfunktionalen Dopaminfreisetzung im Gehirn zusammenhängt. Die Grenzen zwischen fälschlichen Überzeugungen und einem Wahn sind dabei fließend.

Ein ausgeprägter Wahn kann eine schwerwiegende Belastung für die Betroffenen und ihr Umfeld darstellen, weshalb professionelle Hilfe in diesen Fällen besonders wichtig ist. 

Literaturverzeichnis

Dorsch, F., Wirtz, M. A., & Strohmer, J. (Hrsg.). (2014). Dorsch—Lexikon der Psychologie (17. Auflage). Verlag Hans Huber.

Endriss, L. (2023). Alltägliche Parallelwelten: Flow und andere außergewöhnliche Bewusstseinszustände analysieren und bewerten. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-41164-0

Hoff, P. (2016). Ist Wahn ein sinnvoller wissenschaftlicher Begriff?: Eine Reflexion über die Psychopathologie in der Psychiatrie des 21. Jahrhunderts. Der Nervenarzt, 87(1), 69–73. https://doi.org/10.1007/s00115-015-4446-y

Hoyer, J., & Knappe, S. (Hrsg.). (2020). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61814-1

Jaspers, K. (1946). Die Stellungnahme des Kranken zur Krankheit. In K. Jaspers, Allgemeine Psychopathologie (S. 345–356). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-52895-8_8

Knorr, R., & Hoffmann, K. (2018). Wahn: Aktuelle psychodynamische und neurokognitive Ansätze. Der Nervenarzt, 89(1), 8–17. https://doi.org/10.1007/s00115-017-0296-0

Kornberger, M. W. (2017). Die systemtheoretisch-psychologische Therapie zur Behandlung von Wahn und Halluzinationen. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17734-8

Moussiopoulou, J., & Falkai, P. (2023). Symptom „Wahn“: Wie in der Hausarztpraxis damit umgehen? MMW – Fortschritte der Medizin, 165(3), 50–53. https://doi.org/10.1007/s15006-022-2226-8

Rainer, M., & Krüger-Rainer, C. (2012). Wahn bei Demenz: Anhand zweier Fallvignetten werden wahnhafte Symptome, die in Zusammenhang mit unterschiedlichen Demenzsyndromen auftreten können, diskutiert. Psychopraxis, 15(6), 7–9. https://doi.org/10.1007/s00739-012-0027-z

Pankow, A., Knobel, A., Voss, M., & Heinz, A. (2012). Neurobiological Correlates of Delusion: Beyond the Salience Attribution Hypothesis. Neuropsychobiology, 66(1), 33–43. https://doi.org/10.1159/000337132

Bildnachweis

Titelbild/Beitragsbild : Selbst erstelltes Bild mithilfe von Adobe Illustrator generiert.

Teile diesen Artikel