Durch die Digitalisierung entstehen neue Möglichkeiten in der Unterstützung von Menschen mit psychischen und neurologischen Herausforderungen. Insbesondere Wearables wie smarte Armbänder, Ringe oder Kopfhörer versprechen, Menschen mit herausforderndem Verhalten zu helfen, ihre Emotionen besser zu regulieren. Doch wie effektiv sind diese Technologien wirklich?
Was sind Wearables?
Wearables sind tragbare Computersysteme, die physiologische Daten messen und mit Hilfe von Gesundheits-Apps auswerten. So können Messungen wie bspw. Blutdruck, Herzfrequenz, Blutzuckerspiegel, Schlaf und Kalorienverbrauch durch verschiedene Arten von Wearables getrackt werden (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, o.D.):
- Smarte Kleidung: einfache Kleidungsstücke, die durch Bluetooth mit einem Smartphone verbunden sind. Bspw. erkennen „Nadi X Yogahosen“ durch Sensoren, wann eine Yoga-Pose inkorrekt ausgeführt wird, und kommuniziert dies durch Vibrationen an Körperteilen. (Feireiss, 2024)
- Smarte Armbänder: „WHOOP“ erkennt Messwerte in Bezug auf Schlaf, Belastung und Erholung, sowie zahlreiche weitere Faktoren und soll die Leistungsfähigkeit des Körpers positiv stärken. (WHOOP, 2025)
- Smarte Ringe: Mit Sensoren ausgestattete Ringe, die Daten wie Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung oder die Schlafqualität bestimmen. Der „Oura Ring 3“ bietet darüber hinaus durch Temperaturmessung Früherkennung von Krankheiten und Menstruation. (Kappelsberger, 2024)
Weitere Möglichkeiten von Wearables sind smarte Kopfhörer, die zusätzlichen digitale Assistenzfunktionen oder Echtzeitübersetzungen bieten, sowie Datenbrillen, die digitale Informationen direkt in das Sichtfeld der Nutzer*innen einblenden. (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, o.D.)
Wearables in der Praxis bei Menschen mit herausforderndem Verhalten
Für Menschen mit herausforderndem Verhalten können solche Technologien Stress oder Überlastung erkennen und unterstützen frühzeitig Möglichkeiten zur Selbstregulation oder Assistenz in Anspruch zu nehmen. (AOK-Gesundheitsmagazin, 2024)
Autismus-Spektrum-Störung (ASS)
Francese & Yang evaluieren verschiedene Anwendungsbereiche von Wearables im Kontext von Autismus-Spektrum-Störung (ASS). Aufgrund der Häufigkeit von Spätdiagnosen, empfehlen sie den Einsatz von Wearables zur Früherkennung von ASS. Dies umfasst unter anderem die Erfassung von Blickbewegungen zur Analyse von Aufmerksamkeitsmustern sowie Bewegungsanalysen zur Identifikation von Nachahmungsverhalten. Darüber hinaus diskutieren sie Wearables als Hilfsmittel zur Emotionsregulation, da Betroffene aufgrund erlernter Verhaltensmuster dazu neigen, ihre tatsächlichen Emotionen zu verbergen. Mit Hilfe von EEG-Sensoren können Stressreaktionen erfasst werden. Des weiteren thematisiert der Artikel Wearables zur Prognose von Anspannungszuständen. Durch die frühzeitige Erkennung symptomatischer Zustände können Begleitpersonen proaktiv intervenieren, um herausfordernde Extremsituationen vorzubeugen. Darüber hinaus bieten Wearables einen Mehrwert bei der Identifikation stereotyper Bewegungsmuster sowie in der Notfallüberwachung. Insgesamt sollen Wearables im Zusammenhang mit ASS Muster erkennen, um betroffene Menschen durch frühzeitige Hilfestellung mehr Lebensqualität zu gewährleisten. (Francese & Yang, 2022)
Herausforderndes Verhalten in Wohngruppen und Psychiatrie
Wearables ermöglichen die objektive Erfassung psychischer Symptomatik im Alltag und bieten damit, laut Ebner-Priemer et al., einen erheblichen Vorteil gegenüber anlassbezogenen Laborbefunden. Durch kontinuierliches Monitoring sowie Echtzeiterfassungen der Symptomatik können individuell relevante Parameter sowohl situativ als auch langfristig untersucht werden. Dies gewährleistet eine präzise Anpassung therapeutischer Maßnahmen, sowohl pharmakologisch als auch psychotherapeutisch. entsprechend anzupassen. Neben der Messung physiologischer Parameter, bspw. des Blutdrucks heben Ebner-Priemer et al. die Relevanz der Erfassung körperlicher Aktivität und psychischer Symptomatik hervor, wobei die Kontextualisierung dieser Daten durch GPS-Tracking eine zentrale Rolle spielt. (Ebner-Priemer, Reichert, Tost, & Meyer-Lindenberg, 2019)
Herausforderungen und Risiken
Trotz der vielversprechenden Entwicklungen gibt es auch Kritikpunkte. Eine Studie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik identifiziert folgende Herausforderungen und Risiken im Zusammenhang mit der medizinischen Nutzung von Wearables:
- Datenschutz: Risiko, dass Daten ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen gespeichert oder übertragen werden
- Sicherheit: Risiko gezielter personenbezogenen Cyberangriffe und dadurch Manipulation der Genesung von Patient*innen
- Technik: Risiko. dass Unbefugte auf sensible Gesundheitsdaten zugreifen oder die Funktionalität der Geräte zu beeinträchtigen durch Sicherheitslücken in der technischen Ausstattung und der mobilen Anwendungen (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, 2021)
Fazit
Wearables bieten diverse Möglichkeiten zur Unterstützung von Menschen mit herausforderndem Verhalten, insbesondere in den Bereichen Früherkennung und Selbstregulation. Neben den genannten Praxiseispielen könnten Wearables auch bei Panikattacken, Angststörungen oder ADHS eine psychische Entlastung für Betroffene sowie deren Umfeld darstellen. Durch kontinuierliches Monitoring können mit Hilfe von Wearables Krisensituationen präventiv erkannt und persönliche Emotionen besser verstanden und reguliert werden. Neben den Chancen und Potenzialen von Wearables unterstreichen die identifizierten Risiken in Bezug auf Datenschutz, Technik und Sicherheit die Notwendigkeit diese Schwachstellen bei der Entwicklung und Nutzung von Wearables mit medizinischen Funktionen zu priorisieren. Darüber hinaus sind weitere Studien nötig, um ihre langfristige Wirksamkeit und ethischen Implikationen vollständig zu verstehen. Der Einsatz solcher Technologien sollte daher stets individuell und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der betroffenen Personen erfolgen.
Literaturverzeichnis
AOK Gesundheitsmagazin. (2024). Achtsamkeit. Abgerufen am 10.02.2025 von Selftracking: Die Vor- und Nachteile der Selbstüberwachung: https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/achtsamkeit/wie-haengen-selbstueberwachung-und-selbstoptimierung-zusammen-und-gibt-es-risiken/
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. (2021). Sicherheit von Wearables mit medizinischen Teilfunktionalitäten (SiWamed) Cybersicherheitsbetrachtung. Bonn.
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. (o.D.). Wearables: So nutzen Sie Fitnesstracker, -armbänder & Co. sicher. Abgerufen am 02.02.2025 von https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Verbraucherinnen-und-Verbraucher/Informationen-und-Empfehlungen/Internet-der-Dinge-Smart-leben/Smart-Home/Wearables/wearables_node.html
Ebner-Priemer, U., Reichert, M., Tost, H., & Meyer-Lindenberg, A. (2019). Wearables zum kontextgesteuerten Assessment in der Psychiatrie. Der Nervenarzt (90), S. 1207-1214.
Feireiss, N. (2024). AMEXcited: Bitte mit Köpfchen: Wie Smart Clothes zu Helfern im Alltag werden. Abgerufen am 02.02.2025 von https://www.americanexpress.com/de-de/amexcited/explore-all/style/bitte-mit-koepfchen-wie-smart-clothes-zu-helfern-im-alltag-werden-1754
Francese, R., & Yang, X. (2022). Supporting autism spectrum disorder screening and intervention with machine learning and wearables: a systematic literature review. Complex & Intelligent Systems (8), 3659-3674.
Kappelsberger, M. (2024). Netzwelt. Abgerufen am 03.02.2025 von Smarte Ringe im Vergleich: Das sind die besten Wearables für euren Finger: https://www.netzwelt.de/smart-watch/kaufberatung-smarte-ringe-vergleich-besten-wearables-euren-finger.html
WHOOP. (2025). WHOOP. Abgerufen am 03.02.2025 von Unser Ziel: die menschliche Leistungsfähigkeit optimieren: https://www.whoop.com/de/de/about/
Titelbildquelle
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