Ein 12-Jähriger, der eine Frau vergewaltigt, ein 13-Jähriger, der in einer Schule Amok läuft – Nachrichten wie diese häufen sich in den Medien immer mehr. Eine Statistik des Statista Research Department ergab, dass in Deutschland 2018 rund 6 400 der unter 14-Jährigen und rund 17 800 der 14- bis 18-Jährigen gefährliche und schwere Körperverletzung begingen. Fast 900 Jugendliche wurden aufgrund sexueller Nötigung und Vergewaltigung erfasst.[1] Doch woher kommt dieses Verhalten und was kann dagegen unternommen werden?
Formen und Ursprung aggressiven Verhaltens
Aggressivität kann schon bei zwei- bis dreijährigen Kindern beobachtet werden, doch das Verhalten nimmt bei den meisten in zunehmendem Alter wieder ab. Um von stark auffallend aggressiven Kindern sprechen zu können, hat Campbell eine Unterscheidung folgender Merkmale entwickelt: Das Verhalten taucht über einen längeren Zeitraum in mehr als einer bestimmten Form auf, es kommt vor allem gegenüber gewissen Personen, z.B. den Eltern, vor und es führt zu einer Gefährdung weiterer Entwicklungsstufen.[2] Wenn ein Kind als aggressiv eingestuft wird, kann die Art des Verhaltens in verschiedene Typen eingeordnet werden. Die instrumentelle und die reaktive Aggression sind die zwei gröbsten Formen. Während bei der instrumentellen Aggression positive Verstärker, wie etwa materielle Ressourcen oder ein Status, errungen werden sollen, zielt die reaktive Aggression auf ein Beschützen der eigenen Person oder einer sozialen Gruppe vor Bedrohungsreizen ab. Weitere Unterscheidungsmöglichkeiten sind impulsive vs. kontrollierte sowie verbale vs. körperliche Aggression.[3]
Der Ursprung des Verhaltensmusters ist vielfältig. Zum einen kann Aggression genetisch veranlagt sein, also von einer Generation auf die nächste übertragen werden. Zum anderen gibt es auch eine biologische Theorie, bei der zum Beispiel von Sigmund Freud angenommen wird, dass im Menschen von Natur aus ein Trieb (sogenannter Thanatos oder Todestrieb) vorherrscht, sich gegenüber anderen oder sich selbst aggressiv zu verhalten. Die behavioristische Theorie besagt dagegen, dass Aggression durch Beobachtung sowie durch klassische und operante Konditionierung erlernt, aber genauso wieder verlernt werden kann.[4] Zuletzt kann das Verhaltensmuster auch auf der Frustrations-Aggressions-Hypothese beruhen. Wenn Menschen ihre Ziele nicht erreichen können, werden sie frustriert. Bei immer größer werdender Frustration kann es ab einem gewissen Punkt zu Aggression kommen. Wenn ein Kind zum Beispiel von einem reizvollen Spielzeug enttäuscht ist, verhält es sich dem Spielzeug gegenüber aggressiv.[5]
Präventions- und Interventionsstrategien
Da Aggression hohes Risiko birgt, sich im Laufe der Entwicklung zu festigen, ist es sinnvoll, möglichst früh mit Präventions- und Interventionsprogrammen zu beginnen. Die Strategien können dabei verschiedenen Fachrichtungen zugeordnet werden, wie etwa der Psychologie, der Medizin oder der Pädagogik. Allgemein können drei Präventions- und Interventionsmaßnahmen unterschieden werden: Sozial- bildungs- familien- und gesundheitspolitische Strategien zielen darauf ab, gesellschaftliche Risikofaktoren zu verringern. Dazu zählen unter anderem das Reduzieren von Armut und Arbeitslosigkeit und eine Erhöhung von Bildungschancen. Polizeiliche und juristische Maßnahmen sind dagegen auf die Kontrolle der Straffälligkeit und auf eine strafrechtliche Verurteilung bedacht. Schließlich gibt es auch noch psychologisch-pädagogische Programme, die auf das Verhalten an sich ausgerichtet sind.[6] Möglich sind zum Beispiel kognitive Ansätze, bei denen soziale Kompetenzen trainiert werden und den Betroffenen Problemlösungsstrategien nähergebracht werden. Die am häufigsten eingesetzte Strategie ist allerdings die des behavioristischen Ansatzes. Angewendet wird dieser vor allem im Elterntraining, wo die Erziehungsberechtigten über soziales Lernen und über operante Konditionierungstheorien der Aggression erfahren. Es wird davon ausgegangen, dass die Eltern dann die erlernten Fähigkeiten auf die Kinder übertragen und so aggressives Verhalten reduziert werden kann. [7]
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es zahlreiche Theorien zur Klärung des Ursprungs der Aggression bei Kindern und Jugendlichen gibt. Ebenso kann eine große Auswahl an Präventions- und Interventionsmaßnahmen gefunden werden, die auf verschiedenen Fachrichtungen beruhen. Wichtig ist, dass das Verhalten von den Eltern nicht ignoriert wird und die Kinder mit ihren Problemen nicht alleine gelassen werden. Nur durch elterliche Unterstützung ist ein Weg der Besserung möglich und Schlimmstes, wie schwere Verbrechen, können vermieden werden.
Fußnoten
[1] Vgl. Bundeskriminalamt (2019)
[2] Vgl. Petermann/ Koglin (2013), S. 9
[3] Vgl. Weierstall/ Elbert (o.A.), S. 4-5
[4] Vgl. Moeller (2001), S. 25-27
[5] Vgl. Gerrig, (2016), S. 687
[6] Vgl. Beelmann/ Raabe (2007), S. 138-139
[7] Vgl. Moeller (2001), S. 297-299
Literaturquellen
Beelmann, A./ Raabe, T. (2007), Dissoziales Verhalten von Kindern und Jugendlichen, Göttingen.
Gerrig, R. (2016), PSYCHOlogie, 20. Auflage, Hallbergmoos.
Moeller, T.G. (2001), Youth Aggression and Violence, New York.
Petermann, F./ Koglin, U. (2013), Aggression und Gewalt von Kindern und Jugendlichen: Hintergründe und Praxis, Berlin.
Internetquellen
Bundeskriminalamt (2019), Tatverdächtige Kinder, Jugendliche und Heranwachsende bei ausgewählten Gewaltverbrechen in Deutschland im Jahr 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37370/umfrage/jugendkriminalitaet—tatverdaechtige-minderjaehrige-bei-ausgewaehlten-gewaltverbrechen/, abgerufen am 23.08.2019.
Weierstall, R./ Elbert, T. (o.A.), Formen und Klassifikation menschlicher Aggression [PDF], http://www.mwv-berlin.de/buecher-bestellen-2016/images/product_images/leseproben_images/9783941468856_Leseprobe.pdf, abgerufen am 23.08.2019.
Titelbild: cre8tivehome0, https://pixabay.com/de/photos/faust-beule-junge-au%C3%9Ferhalb-faust-933916/