Ich habe das Gefühl, ich habe heute nichts erledigt und bin mit meinen Aufgaben überhaupt nicht vorangekommen. Kommt Ihnen dieser Satz bekannt vor? So geht es einigen Menschen. Vielen Menschen fällt es schwer Situationen gelassen zu nehmen, z.B. am Arbeitsplatz oder im Privatleben. Eigentlich müssten wir gelassener sein, da Studien der Säuglingsforschung bestätigt haben, dass Einsichten der Gelassenheit, früh erlernt werden (Schwier/Sohr, 2021, S. 44). Doch wie können wir in unserem Alltag gelassener werden?
Der Verlust von Gelassenheit
Oftmals überkommen uns mehrere Gefühle gleichzeitig und starke Emotionen übernehmen die Kontrolle. Dabei geht die Gelassenheit verloren. In selten auftretenden Situationen findet eine falsche Handlung statt, welche nicht einer typischen Reaktion unseres Selbst entspricht. Die Reaktion des Einzelnen, ist abhängig von dem eigenen Typ der Persönlichkeit. Zwei weitere Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, sind die Erziehung und die Vererbung.
Der Körper bzw. das Gehirn interpretiert dies als Stress, da verschiedene Stresssymptome in der Situation aufgewiesen werden. Daraus schließen sich dann die auftretenden Handlungsweisen. Die Gedanken können nicht mehr richtig kontrolliert werden. Jedoch sei anzumerken, dass Gelassenheit trainiert werden kann (Nürnberger, 2013, S. 6–11).
Die Typen der Persönlichkeit
Da die Reaktion auf Emotionen oder Situationen in starker Abhängigkeit von dem jeweiligen Typ der eigenen Persönlichkeit geschieht, sind diese kurz aufzuführen.
Um die unterschiedlichen Persönlichkeitstypen zu klassifizieren bestehen zwei Varianten. Zum einen durch eine Aufführung der unterschiedlichen Merkmale. Eigenschaften definieren einen Persönlichkeitstyp, um dann bei einer Übereinstimmung der genannten Eigenschaften der Person einen Persönlichkeitstyp zuordnen zu können. Ein bekanntes Beispiel ist z.B. das Big-Five-Persönlichkeitsmodell. Zum anderen liegt eine Klassifikation des Typs der Persönlichkeit durch Prototypen vor. Darunter versteht sich die Persönlichkeit repräsentiert anhand einer fiktiven Person, welche den Persönlichkeitstyp darstellt (Asendorpf, 2007, S. 159).
Gelassenheitsstufen nach Wagner
2011 unterscheidet Wagner sieben Stufen, welche in einer Psychotonusskala abgebildet werden. Der Begriff „Psychotonus“ steht dabei für einen mentalen, aber auch psychischen Zustand einer Person (Wagner, 2008, S. 140).
Der Übergang zwischen den Stufen ist meist gleichmäßig im Verlauf. Unterschiede zwischen den einzelnen Stufen lassen sich durch den Grad der Gelassenheit sowie inwiefern Achtsamkeit ermöglicht werden kann erkennen.
Psychotonusstufen nach Wagner
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an: Wagner, 2021, S.29)
Bei der Betrachtung der Tabelle wird ersichtlich, dass ab der Stufe 4 die Gelassenheit nachlässt. Stufe 7 stellt einen sehr hohen Zustand der Verzweiflung sowie einen Moment der Panik dar.
Durch die Darstellung der Stufen werden die einzelnen mentalen und psychischen Zustände deutlich.
Mehr Gelassenheit in unserem Alltag
Die moderne Psychologie versteht unter dem Begriff „Gelassenheit” eine innere Beherrschung und beschreibt die Kompetenz des Selbsts in kritischen Situationen Gelassenheit, Ruhe und den Überblick zu behalten (Kaiser/Onnen-Isemann, 2007, S. 337). Ähnliche Bezeichnungen sind „innere Ruhe” oder „Geduld”. Gemeint ist das Loslösen von alltäglichem, vorhandenen Auslösern. Bei dem Bestehen von Hass oder negativer Energie ist es wichtig diese ausfindig zu machen und sich davon zu entfernen.
Grundsätzlich gibt es bei der Gelassenheit zwei verschiedene Bestreben. Dazu zählt das Loslassen von z.B. Vorstellungen oder Erwartungen, an denen festgehalten wird sowie das Zulassen von z.B. Herausforderungen, mit denen eine Konfrontation stattfindet (Richter, 2015, S. 288).
Um mehr Gelassenheit im Alltag zu finden, gibt es mehre Möglichkeiten. Eine davon ist es die Gedanken erstmal wahrzunehmen und zu klassifizieren. Besitze ich Stressgedanken oder neutrale Gedanken? Bei dem Bestehen von Stressgedanken ist es von Wichtigkeit, dass diese in einem zweiten Schritt durch ausgeglichene und gelöste Gedanken ausgetauscht werden. Durch den Tausch dieser Gedanken entsteht ein entspannendes Gefühl und so wird mehr Gelassenheit im Alltag erlangt (Hohensee, 2015, S. 101,107-108). Umsetzung für mehr Gelassenheit im Alltag kann z.B. durch Übungen zur Entspannung oder Distanzierung von negativen Gefühlen sowie Meditation gelingen (Richter, 2015, S. 288).
Mehr Gelassenheit im Studium und Beruf
Oftmals hält das Gefühl an, nichts erledigt zu haben. Das löst Anspannung und das Gefühl von Unproduktivität aus. Dadurch wird das Aktivieren des Belohnungssystems im Gehirn blockiert. Diese Situation lässt sich ebenso auf Büroberufe zurückführen. Im Vergleich dazu haben Berufe, welche eine handwerkliche Tätigkeit beinhalten, dieses Problem nicht. Vor Arbeitsende wird das Ergebnis betrachtet, an dem die Handwerker die ganze Zeit gearbeitet haben. Es erfolgt eine Ausschüttung von Hormonen des Stoffwechselsystems auf das Belohnungszentrum, welches sich im Gehirn befindet. Dadurch wird ein Glücksgefühl erlebt.
Um dies zu verbessern, wäre es eine Möglichkeit, mit einer To-do-Liste zu arbeiten. Diese kann auf dem Handy angelegt werden oder handschriftlich. Durch diese Liste wird deutlich, welche Aufgaben bereits erledigt wurden und das Produktivität vorlag. Anschließend sind wir entspannter und das Gefühl von Selbstwirksamkeit wird wieder gestärkt (Bernatzeder, 2019, S.17).
Fazit
Gelassenheit kann im Alltag schnell verloren gehen. Dabei ist diese von Wichtigkeit um auf schwierige Situationen mit einer angemessenen Reaktion zu reagieren. Vorteile ergeben sich insbesondere für das Selbst, aber auch für das Umfeld.
Quellen:
Asendorpf, J. (2007), Psychologie der Persönlichkeit, 4. Aufl., Berlin, Heidelberg
Bernatzeder, P. (2019), Was bedeuten Häkchen im Hinblick auf Wohlbefinden und Gelassenheit?, Digitale Welt, 3. Jg., Nr. 2, S. 17
Hohensee, T. (2015), Gelassenheit beginnt im Kopf. So entwickeln Sie einen entspannten Lebensstil, München
Kaiser, P./Onnen-Isemann (2007), Psychologie für den Alltag. Wie man Probleme wirklich bewältigen kann, München
Nürnberger, E. (2013), Gelassenheit lernen, 2. Aufl., Freiburg
Richter, K. F. (2015), Coaching als kreativer Prozess. Werkbuch für Coaching und Supervision mit Gestalt und System, 4. Aufl., Göttingen
Schwier, M./Sohr, S. (2021), Mit einem Lächeln – 100 Übungen zur Positiven Psychologie, Paderborn
Wagner, A. C. (2008), Gelassenheit und Handlungsfähigkeit durch Introvision als Methode der mentalen Selbstregulation – eine Einführung, Gruppendynamik und Organisationsberatung, 39. Jg., Nr. 2, S. 135–149
Bildquelle:
Goncharenok, M. (2019). Person Hande Frau Entspannung, in: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-hande-frau-entspannung-4348589/, abgerufen am 14.03.2023