By Published On: 18. Oktober 2020Categories: Pädagogik, Psychologie

Einleitung

Für die meisten Menschen ist das Jugendalter mit vielen Herausforderungen verbunden. Aufgrund von zahlreichen Veränderungen innerhalb kürzester Zeit können Jugendliche stark überfordert werden. Zu körperlichen Veränderungen kommen zusätzlich psychische Veränderungen auf der kognitiven, emotionalen und sozialen Ebene.[1] In diesem Alter ist sportliche Aktivität sehr hilfreich, um sich und den eigenen Körper positiv wahrzunehmen[2]. Daher soll im Folgenden erörtert werden, inwieweit sich Sport auf die Entwicklung Jugendlicher auswirken kann.

 

Entwicklungsaufgaben in der Jugend

Grundsätzlich werden unter Entwicklungsaufgaben Herausforderungen oder Probleme verstanden, mit denen ein Individuum in einer Lebensphase oder zu einem bestimmten Zeitpunkt konfrontiert wird. Besonders das Jugendalter ist geprägt von solcher Entwicklungsaufgaben, welche Jugendliche durchlaufen müssen. Dabei sind die Reihenfolge dieser Aufgaben sowie der Zeitpunkt des Auftretens, sehr individuell. Dennoch lässt sich feststellen, dass es typische zu bewältigenden Entwicklungsaufgaben gibt, da die Veränderungen des Menschen relativ gleich sind.[3] Neben den körperlichen Veränderungen wie beispielsweise dem Stimmbruch bei Männern oder der Periode bei Frauen kommt es zu kognitiven, emotionalen und sozialen Veränderungen, welche die hauptsächlichen Entwicklungsaufgaben auslösen.

Auf der kognitiven Ebene führt die Myelinisierung der Nervenbahnen zu einer Zunahme der Verarbeitungsgeschwindigkeit, wodurch es zu einer Gedächtnis- und Intelligenzverbesserung kommt. Des Weiteren steigern sich die Selbstregulationskompetenzen, die es ermöglichen, persönliche Ziele zu erreichen. Jugendliche sind dadurch in der Lage, Selbstkontroll- und Emotionsregulationstechniken anzuwenden. Die Fähigkeiten zu formal-logischem und abstraktem Denken verbessern sich und führen zu eigenen Denk- und Handlungsroutinen, die Kategorisierungen sowie logische Schlussfolgerungen ermöglichen.[4] Durch diese Fähigkeiten ist es den Jugendlichen möglich, ein Selbstkonzept, welches die eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften beschreibt, zu entwickeln, das mit fortschreitender kognitiver Entwicklung immer differenzierter, abstrakter, strukturierter und zusammenhängender wird[5].Typische Denkmuster, die durch die kognitiven Prozesse ausgelöst werden, sind der Jugendegozentrismus und der Glaube an die Einzigartigkeit, welche die soziale Anpassung erschweren[6].

Das Jugendalter wird häufig als sehr emotional erlebt, was durch die Veränderung der emotionsregulierenden Prozesse des frühen Jugendalters, beispielsweise Stimmungsschwankungen, ausgelöst wird. Die Auslöser von negativen Emotionen im Jugendalter unterscheiden sich von den Auslösern im Kindes- und Erwachsenenalter. Häufig kommt es durch eingeschränkte Autonomie, soziale Ausgrenzung oder Bewertungssituationen zu negativen Gefühlen. Im mittleren Jugendalter entwickelt sich die Fähigkeit zur Emotionsregulation, welche jedoch noch wenig ausgeprägt sind. Jugendliche können daher nur ein kleines Repertoire an Strategien nutzen, die zur Regulation der Emotionen dienen. Die Nutzung von kognitiver und adaptiver Emotionsregulationsstrategien steigt im späten Jugendalter an. Je nach Qualität der Emotionen kommt es zum Einsatz unterschiedlicher Methoden. Die Emotionserkennung, welche die Wahrnehmung der Emotionen anderer Menschen beschreibt, verbessert sich ebenfalls, ist jedoch  noch nicht Vergleichbar mit den  Emotionserkennungsleistungen des Erwachsenenalters.[7]

In sozialen Beziehungen gewinnen meist die Gleichaltrigen an Bedeutung und es kommt parallel zu einer Loslösung von den Eltern, was mitunter anhand von auftretenden Konflikten deutlich wird. Gleichaltrige können sowohl als positiver oder negativer Einfluss auf die Jugendlichen fungieren. Die persönliche Entwicklung hat in diesem Alter einen hohen Stellenwert und die Suche nach der eigenen Identität beginnt. Neben der Loslösung von den Eltern kommt es im sozialen Bereich zu weiteren Anforderungen wie beispielsweise der Annahme der eigenen Geschlechterrolle, dem Aufbau neuer Beziehungen zu Gleichaltrigen und zum anderen Geschlecht, der Berufswahl oder der Entwicklung von sozialverantwortlichem Verhalten. Der durch diese vielfältigen Entwicklungsaufgaben entstehende Stress kann auch mit teilweise unangemessenen Bewältigungswegen reguliert werden.[8]

 

Auswirkungen von sportlicher Aktivität auf die Entwicklung Jugendlicher

Sportliche Aktivitäten können die Entwicklung Jugendlicher beeinflussen, da in fast allen Sportarten kognitive Prozesse eine Rolle spielen, welche sich, wie im vorherigen Absatz erläutert, im Jugendalter stark entwickeln. Aufgrund der unvermeidbaren Informationsaufnahme bei der Durchführung von Sport, die anschließende Selektion der Reize und die subjektive Einschätzung der Situation mit den anschließenden Entscheidungsprozessen werden Jugendliche kognitiv stark gefordert und müssen schnell Lösungswege und Handlungsmöglichkeiten entwickeln. Besonders die Aufmerksamkeit und Konzentration werden gefordert.[9] Dieses Verhalten ist im sozialen Leben ebenfalls relevant, da die Kinder im Jugendalter lernen müssen, ihre Emotionen zu regulieren, Ziele zu definieren und dementsprechend zu handeln.[10] Es lässt sich anhand von Studien feststellen, dass sportliche Aktivitäten keine Veränderung an der kognitiven Entwicklung der Jugendlichen bewirken[11]. Jedoch kann eine erhöhte kognitive Leistungsfähigkeit durch sportliches Training erreicht werden. Außerdem zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität und der Entwicklung schulischer Leistungen und intellektuellen Fähigkeiten.[12] Auf der emotionalen Ebne kann Sport zu einem Ausgleich führen, wenn der jugendliche Sportler sich seiner Stärken bewusst ist. Dies fördert zusätzlich die Widerstandskraft und Anforderungen im schulischen oder sozialen Bereich werden stressfreier wahrgenommen. Dies erhöht die Resilienz und den allgemeinen Gesundheitszustand der Jugendlichen.[13]  Zusätzlich mindert sportliche Aktivität Ängste und das Risiko, eine Angststörung zu entwickeln[14] Die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen wird durch den Sport ebenso beeinflusst. Besonders das Selbstkonzept lässt sich durch sportliche Aktivität stark lenken. Durch die Sport- und Bewegungserfahrung kann es zu einer besseren körperlichen Selbstwirksamkeitserfahrung kommen. Jugendliche erkennen ihre sportliche Kompetenz, was zu physischer Akzeptanz und einem positiven Selbstwertgefühl führt. Allgemein lassen sich Menschen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl leichter durch Sport beeinflussen als jene mit hohem Selbstwertgefühl.[15] Besonders für die Entwicklung des Sozialverhaltens kann Sport eine wichtige Rolle spielen, da die Jugendlichen lernen Niederlagen einzustecken, sich für die Ziele des Teams einzusetzen und Regeln zu beachten. Somit wirkt Sport der sozialen Isolation und unsozialem Verhalten entgegen. Teamgeist, Fairness und Toleranz hingegen werden gefördert.[16]  Während der emotionalen Loslösung vom Elternhaus haben die Jugendlichen meist einen guten Bezug zum TrainerIn und begegnen diesem/r mit Respekt. Dieser kann auch als AnsprechpartnerIn in schwierigen Situationen fungieren, da sowohl Eltern als auch LehrerInnen meist nicht als ideale GesprächspartnerInnen bei Problemen empfunden werden. Jedoch kann es zu Problemen bei der Bewältigung der Entwicklungsaufgaben kommen, wenn der Sport zu früh einen zu großen Platz im Leben der Jugendlichen einnimmt, beispielsweise bei der Talententwicklung im Leistungssport. Hier werden Jugendliche früh mit der emotionalen Loslösung von den Eltern und einer frühen Auseinandersetzung mit der beruflichen Karriere konfrontiert.[17]

 

Fazit

Im Jugendalter kommen eine Vielzahl von neuen Entwicklungsaufgaben in den unterschiedlichsten Lebensbereichen auf die Heranwachsenden zu, welche es zu meistern gilt. Grundsätzlich kann sportliche Aktivität diese Aufgaben nicht verändern, jedoch erleichtern, da beispielsweise im sozialen, kognitiven oder emotionalen Bereich im sportlichen Zusammenhang Verhaltensweisen erprobt werden können. In Sportvereinen ist der Kontakt mit Gleichaltrigen gegeben und gemeinsame Erfolge fördern sowohl das Selbstvertrauen als auch die Teamfähigkeit. Daher kann sportliche Aktivität für viele Jugendliche ein Ausgleich zu den Entwicklungsaufgaben und den schulischen Anforderungen darstellen. Sport ist somit in der Jugend zu empfehlen und hat keinesfalls negative Auswirkungen, sondern kann die Jugendlichen sogar bei den anstehenden Entwicklungsaufgaben unterstützen.

 

[1] Vgl. Lohaus/Vierhaus (2019), S. 280

[2] Vgl. Hess/Scheithauer (2019), S. 100

[3] Vgl. Greve/Thomsen (2019), S. 28

[4] Vgl. Lohaus/Vierhaus (2019), S. 286

[5] Vgl. Thomsen/Lessing/Greve/Dresbach (2018), S. 97

[6] Vgl. Lohaus/Vierhaus (2019), S. 286

[7] Vgl. Zimmermann/Podewski/Çelik/Iwanski (2018), S. 74-83

[8] Vgl. Lohaus/Vierhaus (2019), S. 286

[9] Vgl. Alfermann/Stoll (2015), S. 41-42

[10] Vgl. Burrmann (2011), S. 267-268

[11] Vgl. Konowalczyk (2017), S. 119

[12] Vgl. Voelcker-Rehage/Kutz (2020), S. 82

[13] Vgl. Michels/Altfeld (2019), S. 212

[14] Vgl. Ehrlenspiel/Mesagno (2020), S. 299

[15] Vgl. Conzelmann/Schmidt (2020), S. 340-346

[16] Vgl. Burrmann (2011), S. 267-268

[17] Vgl. Höner/Larkin/Leber/Feichtinger (2020),  S. 520

 


Literatur

Alfermann, D./Stoll, O. (2015): Sportpsychologie. Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. 4. Auflage, Aachen: Meyer & Meyer Verlag.

Burrmann, U. (2011): Sozialisationswirkungen des außerschulischen Sports am Beispiel des Jugendalters. In: Krüger, M./Neuber, N. (Hg.), Bildung im Sport. Beiträge zu einer zeitgemäßen Bildungsdebatte. 1. Auflage, Wiesbaden: Springer Verlag.

Concelmann, A./Schmidt, M. (2020): Persönlichkeitsentwicklung durch Sport. In: Schüler, J./Wegner, M./Plessner, H. (Hg.), Sportpsychologie. Grundlagen und Anwendungen. 1. Auflage, Berlin: Springer Verlag.

Ehrlenspiel, F./Mesagno, C. (2020): Angst im Sport. In: Schüler, J./Wegner, M./Plessner, H. (Hg.), Sportpsychologie. Grundlagen und Anwendungen. 1. Auflage, Berlin: Springer Verlag.

Greve, W./Thomsen, T. (2019): Entwicklungspsychologie. Eine Einführung in die Erklärung menschlicher Entwicklung. 1. Aflage, Berlin: Springer Verlag.

Hess M./Scheithauer, H. (2019): Fairplayer.Sport – Förderung sozialer Kompetenzen im Kinder- und Jugendfußball. In: Schmidpeter, R. (Hg.), CSR und Sportmanagement. Jenseits von Sieg und Niederlage: Sport als gesellschaftliche Aufgabe verstehen und umsetzen. 2. Auflage, Berlin: Springer Verlag.

Höner, O./Larkin, P./Leber, T./Feichtinger, P. (2020): Talentauswahl und -entwicklung im Sport. . In: Schüler, J./Wegner, M./Plessner, H. (Hg.), Sportpsychologie. Grundlagen und Anwendungen. 1. Auflage, Berlin: Springer Verlag.

Konowalczyk, S. (2017): Zeitperspektiven von Jugendlichen. Pädagogische Grundlagen und empirische Befunde im Kontext des Sports. 1. Auflage, Wiesbaden: Springer Verlag.

Lohaus, A./Vierhaus, M. (2019): Entwicklungspsychologie des Kinders- und Jugendalters für Bachelor. 4. Auflage, Berlin: Springer Verlag.

Michels, U./Altfeld, S. (2019): Burnout-Prävention in Spitzensport und Wirtschaft. Was Trainer und Manager voneinander lernen können. In: Schmidpeter, R. (Hg.), CSR und Sportmanagement. Jenseits von Sieg und Niederlage: Sport als gesellschaftliche Aufgabe verstehen und umsetzen. 2. Auflage, Berlin: Springer Verlag.

Thomsen, T./Lessing, N./Greve, W./Dresbach, S. (2018): Selbstkonzept und Selbstwert. In: Lohaus, A. (Hg.), Entwicklungspsychologie de Jugendalters. 1. Auflage, Berlin: Springer Verlag.

Voelcker-Rehage, C./Kutz, D. (2020): Neurokognition und Bewegung. In: Schüler, J./Wegner, M./Plessner, H. (Hg.), Sportpsychologie. Grundlagen und Anwendungen. 1. Auflage, Berlin: Springer Verlag.

Zimmermann, P./Podewski, F./ Çelik, F./Iwanski, A. (2018): Emotionale Entwicklung. In: Lohaus, A. (Hg.), Entwicklungspsychologie de Jugendalters. 1. Auflage, Berlin: Springer Verlag.

 

Bildquelle: 
https://pixabay.com/de/photos/rugby-sport-rugby-union-3718788/

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