Egal ob das Auto, das Haus oder die Armbanduhr, Menschen hängen an ihren Besitztümern und verlangen im Falle eines Verkaufes oft übertriebene Fantasiepreise, unabhängig davon, ob ein Stück einen emotionalen oder materiellen Wert besitzt (Westerhoff, 2010). Dass Menschen ihre Besitztümer als wertvoller einschätzen als sie tatsächlich sind, fand der amerikanische Verhaltensökonom Richard Thaler in den 1980er Jahren heraus und benannte dieses Phänomen als Endowment-Effekt, oder zu Deutsch Besitztumseffekt (vgl. Vöster, 2015, S.48). Der Endowment-Effekt welcher Menschen dazu bringt den Wert des eigenen Besitzes um mindestens das Zweifache zu überschätzen, war lange Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen, bis eine neurophysiologische Grundlage des Effekts ermittelt werden konnte (Westerhoff, 2010).
Psychologische Experimente zum Endowment-Effekt
Was der Endowment-Effekt für Kaufentscheidungen bedeutet, untersuchte eine Forschungsgruppe um den amerikanischen Psychologen Daniel Kahnemann 1990 anhand eines Experimentes (Vöster, 2015, S.48). Dabei erhielt eine Gruppe der Versuchspersonen einen kleinen Becher geschenkt, den sie mit nach Hause nehmen konnten, aber auch verkaufen konnten, sofern sie einen Käufer dafür fanden, wobei das verdiente Geld behalten werden durfte (Felser, 2015, S.188-189). Eine andere Gruppe erhielt zunächst keinen Becher, dieser wurde ihnen am Ende jedoch, ebenfalls mit der Möglichkeit diesen zu verkaufen, in Aussicht gestellt. Wurden die Mitflieder dieser Gruppe vom Versuchsleiter gefragt, für welchen Preis sie den Becher verkaufen würden, gaben sie im Durchschnitt einen Preis von 2,25-2,75 US-Dollar an, ab dem sie bereit wären das Geld zu nehmen (Vöster, 2015, S.48). Wurden die „Besitzer“ gefragt, ab welchen Preis sie ihren Becher verkaufen würden und somit ihren Besitz aufgeben würden, gaben diese im Durchschnitt einen Betrag von 7 US-Dollar an, obwohl es sich um eine ökonomisch gesehen identische Situation handelt (Felser, 2015, S.189). Dies impliziert, dass bereits der kurzzeitige Besitz eines Gegenstandes diesen als subjektiv wertvoller erscheinen lässt (Haupt, 2014). Auch widerspricht der Befund den ökonomischen Prinzipien, dass die Präferenz Konsumenten grundlegend stabil ist, sowie, dass der Wert von A im Tausch gegen B derselbe ist, wie der Wert von B im Tausch gegen A (Felser, 2015, S.189).
Bei einer anderen Untersuchung sollte sich eine Gruppe aus amerikanischen Studenten vorstellen, sie habe Karten für ein begehrtes Basketballfinalspiel in der Lotterie gewonnen, während eine andere Gruppe sich vorstellen sollte, kein Ticket für das Spiel bekommen zu haben (Carmon & Ariely, 2000, S.362). Anschließend wurde die Gruppe mit Ticket gefragt, für welchen Betrag sie das Ticket an einen Ticket-Händler verkaufen würden, während die Gruppe ohne Ticket gefragt wurde welchen Preis sie bereit wären, an den Händler zu zahlen. Die Studenten mit Ticket forderten im Durchschnitt 2411 US-Dollar und rechtfertigten dies mit der großen Bedeutung des Spiels, während die Studenten ohne Ticket durchschnittlich nur 166 Dollar für die Tickets bezahlten würden und dies in Relation zu Kosten von anderen Aktivitäten setzten (Carmon & Ariely, 2000, S.363).
Neurophysiologische Grundlagen des Endowment-Effekts
Es wurden bereits mehrere Studien durchgeführt mit dem Ziel, die neuronalen Prozesse und Hirnregionen zu identifizieren, die für den Endowment-Effekt verantwortlich sind. So konnte mittels funktioneller Magnetresonanztomographie während Kaufprozessen eine höhere Aktivität der Amygdala während des Verkaufens, jedoch nicht beim Kauf von Produkten festgestellt werden, was auf eine Verlustaversion hindeutet (Pömmerl, 2016, S.18). Des Weiteren konnten drei weitere Hirnregionen identifiziert werden, die mit dem Endowment-Effekt in Verbindung gebracht werden, der Nucleus accumbens, welcher zum Belohnungssystem des Gehirns gehört, die Inselrinde, die mit emotionalen Bewertungen wie Verlust zu tun hat und der mediale präfrontale Kortex, der u.a. mit dem Aktualisieren von Gewinnerwartungen in Verbindung steht (Rötzer, 2008). Dabei ist der der Nucleus accumbens sowohl bei Kauf als auch Verkauf aktiv, während der mediale präfrontale Kortex eine hohe Aktivität aufzeigt, wenn ein Produkt besonders günstig gekauft wird, und die Inselrinde vor allem bei Menschen, die anfällig für den Endowment-Effekt sind, aktiv ist (Pömmerl, 2016, S.18). Auch andere Hirnareale werden in unterschiedlichen Untersuchungen mit dem Endowment-Effekt in Zusammenhang gebracht, sind jedoch noch Gegenstand weiterer Forschung.
Implikationen des Endowment-Effekts
Der Endowment-Effekt spielt in vielen verschieden Bereichen eine Rolle. Er kann z.B. in Verhandlungssituationen vorteilhaft sein, da Menschen mit hohen Endowment-Werten oft hart und erfolgreich verhandeln und daher am ehesten in der Lage sind, den eigenen Besitz zu vermehren (Westerhoff, 2010). Eine weitere konkrete Implikation des Endowment-Effekts betrifft die Theorie zur Steuerhinterziehung. Bischoff (2006) beschreibt in diesem Kontext, dass Menschen eher dazu tendieren, Einkommenssteuern zu hinterziehen, wenn die Steuer nachgezahlt werden muss, als wenn eine Vorauszahlung getätigt wird (S.9). Auch auf dem Dating-Markt spielt der Endowment-Effekt eine Rolle. So konnte aufgezeigt werden, dass Menschen andere mehr wertschätzen, wenn sie bei einer Dating-App ein Match mit diesen haben, als wenn dies nicht der Fall ist (Gregorich, 2018, S.37).
Literatur
Bischoff, I. (2006). Der Endowment Effekt und das Beharrungsvermögen des Status quo. List Forum für Wirtschafts-und Finanzpolitik 32(1), S.1-15.
Carmon, Z., & Ariely, D. (2000). Focusing on the forgone: How value can appear so different to buyers and sellers. Journal of consumer research, 27(3), S.360-370.
Felser, G. (2015). Werbe- und Konsumentenpsychologie. Springer, Berlin, Heidelberg.
Gregorich, G. (2018). How Deep Is Your Love? Loss Aversion in Dating Markets. Macalester College, Economics Honors Projects, 89.
Haupt, S. (2014). Erfolgreich versteigern mit Psycho-Kniffen. Zeit Online. Verfügbar unter: https://www.zeit.de/wissen/2014-01/ebay-verkaufspsychologie-weihnachtsgeschenke Zugriff am 27.11.2020
Pömmerl, J. C. (2016). Experimentelle Untersuchung zu den Auswirkungen von Schlaf und Zeit auf Risikoverhalten und Spendenbereitschaft. Dissertation. München: LMU München.
Rötzer, F. (2008). Besitz steigert den Wert von Dingen. Telepolis Online. Verfügbar unter: https://www.heise.de/tp/features/Besitz-steigert-den-Wert-von-Dingen-3418999.html Zugriff am 27.11.2020
Vöster, J. (2015). Irrationaler Kunde-Effekte verstehen und nutzen. Marketing Review St. Gallen, 32(2), S.46-53.
Westerhoff, N. (2010). Wegwerfen oder behalten – Der Preis des Plunders. Süddeutsche Zeitung Online. Verfügbar unter: https://www.sueddeutsche.de/leben/wegwerfen-oder-behalten-der-preis-des-plunders-1.184013 Zugriff am 27.11.2020
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