By Published On: 9. April 2021Categories: Psychologie, Wirtschaft

Erfolg zwischen Windeln und Führungskraft: Das einst so klassische Bild der Familienstruktur mit dem berufstätigen Vater und der Mutter als Hausfrau und Vollzeit-Mama hat in den letzten Jahren vermehrt eine neue, andere Richtung eingeschlagen. Frauen haben mittlerweile ebenso wie Männer Zugang zu Bildung und stehen mit beiden Beinen fest im Berufsleben. Frauen sind zudem hochqualifiziert und verwirklichen sich selbst im Beruf. Männer sind demnach nicht mehr die alleinigen Ernährer. Dadurch entstehen neue bislang unbekannte Herausforderungen im Familienleben, welche nicht länger ausschließlich in der Verantwortung der Frau liegen. Es liegt nun in den Händen der Politik und Gesellschaft, sich diesen Herausforderungen zu stellen (vgl. Schilly, 2016, S. 11).

Wie kann eine für Unternehmen und Working Mom passende Arbeitskultur geschaffen werden, um Familienleben und produktives Arbeiten weiterhin uneingeschränkt zu ermöglichen? 

Das Mutterbild in Deutschland

Nach wie vor wird das Bild einer guten Mutter in Deutschland mit einer Mutter, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren selbst betreut, assoziiert (vgl. Mundlos, 2015; Vinken, 2007). Ein Kind ganztags betreuen zu lassen wird in Deutschland häufig mit einer bloßen Aufbewahrung und Vernachlässigung verbunden, geht mit Beleidigungen, wie die Mutter sei eine „Rabenmutter“ einher und wird mit dem Vorwurf betitelt, sie käme ihrer eigentlichen Berufung nicht nach (vgl. Vinken, 2007, S. 25). Gibt eine Mutter ihr Kind dennoch in die Kindertagesstätte, um ihrer beruflichen Selbstverwirklichung nachzugehen, geht dies in Deutschland nicht selten mit einem schlechten Gewissen seitens der Mutter einher (vgl. Mundlos, 2015, S. 63). Im Allgemeinen ist die Erwartungshaltung an Mütter in Deutschland hoch: Neben der Erziehung ihrer Kinder sollen sie eine möglichst gute Ausbildung genossen haben und berufstätig und finanziell unabhängig sein (vgl. Schneider, Diabaté & Ruckdeschel, 2015, S. 207)

Das Ergebnis daraus ist, dass das Bild der guten Mutter in Deutschland einerseits „utopische“ und andererseits „unterordnende Züge“ hat (vgl. Lenz, 2009, S. 177), da die durch das Bild der guten Mutter geprägte gesellschaftliche Forderung, die Kinder in den ersten Jahren selbst zu betreuen, mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit schwer für die Frauen vereinbar ist. Das moderne unabhängige Leben scheint vielen Akademikerinnen damit nicht mit dem Leben als Mutter vereinbar und daher entscheidet sich eine Vielzahl aufgrund der Vereinbarkeitsproblematik gegen Kinder (vgl. Schneider et al., 2015, S. 113). Doch diejenigen (werdenden) Mütter in Deutschland, die Wert darauf legen, ihr Kind beim Aufwachsen miterleben zu wollen, sehen sich laut einer Studie oftmals gezwungen, zwischen Karriere und Kind eine Wahl treffen zu müssen (vgl. Heilmann, 2011, S. 56). 

Mütter in Führungspositionen

Forschungsergebnisse zu Müttern in Führungspositionen zeigen, dass hinsichtlich struktureller Rahmenbedingungen die Vereinbarkeit der Führungsrolle und Mutterrolle für Mütter in Führungspositionen eine größere Herausforderung darstellt als für Väter in Führungspositionen. Die von Kleinert (2007) durchgeführte Studie, in der über 300.000 Haushalte befragt wurden, macht deutlich, dass die Rahmenbedingungen bei Müttern und Vätern in Führungspositionen variieren. Während Frauen in Führungspositionen meist alleinlebend oder alleinerziehend sind, leben Männer meist mit mehreren Kindern und ihrer Partnerin zusammen. Auf die Karriere weiblicher Führungskräfte kann der Faktor Kinder erfolgsverhindern wirken, bei den männlichen Führungskräften ist dies jedoch nicht der Fall (vgl. Kleinert et al., 2007, S. 118–119).

Eine Herausforderung für Mütter in Führungskräften ist, das hohe Arbeitszeitvolumen, meist geringe Flexibilität am Arbeitsplatz, den Haushalt und die Kinderbetreuung vereinen zu müssen, was zugleich die Work-Life-Balance negativ beeinträchtigen kann (vgl. Henn, 2012, S. 148; vgl. Hunziger & Grüterich, 2004, S. 15). Eine im Jahr 2011 durchgeführte Studie des Forschungszentrums familienbewusste Personalpolitik gibt an, dass rund die Hälfte aller Befragten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Schwierigkeit darstellt. Als Gründe dafür werden an erster Stelle das „Volumen der zu bewältigenden Arbeit im Beruf“ und an zweiter Stelle die geringe Flexibilität bezüglich Arbeitszeit und Arbeitsort genannt (Berufundfamilie, 2011, S. 3). Mittlerweile, im Jahr 2021, ist die Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort in vielen Unternehmen rasant gestiegen, was Großteils der weltweiten Corona-Pandemie zuzuschreiben ist. 

Mutterfreundliche Arbeitskontexte 

Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gezielt zu fördern, stehen Unternehmen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung. Weit verbreitet sind Modelle zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes. Einige Unternehmen bieten zudem Unterstützung bei der Betreuung von Familienangehörigen an (vgl. Sackmann, 2019, S. 272). 

Führung in Teilzeit: Führungstätigkeiten in Teilzeit bedeuten nicht primär das klassische Modell der Reduzierung der täglichen Arbeitszeit, sondern hier muss in größeren Zeiträumen – in Monaten oder Jahren – gedacht werden. Die gezielte Planung setzt allerdings voraus, dass es entsprechende Vertretungsregelungen gibt. Für Mütter in Elternzeit kann sich dieses Modell durchaus bewähren.

Job Sharing bei Führungskräften: Dieser Ansatz ist eine weitere Möglichkeit, Frauen in Führungspositionen während der Elternzeit zu unterstützen. Dabei teilen sich zwei Personen eine Stelle, um flexibel die Arbeitszeiten und Arbeitsinhalte aufeinander abzustimmen. Für eine positive Realisierung dieses Modells ist klare transparente Kommunikation eine wichtige Voraussetzung (vgl. Sackmann, 2019, S. 276).

Kein Ultimatum mehr zwischen Muttersein und Karriere

Das digitale Zeitalter ermöglicht Unternehmen zunehmend eine mutterfreundliche Arbeitskontextgestaltung als es noch vor wenigen Jahren der Fall war. Werden die Interessen und Bedürfnisse von Müttern in Führungspositionen mit individuell angepassten Arbeitsbedingungen wahrgenommen und umgesetzt, wird dies einen positiven Einfluss auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie auf die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung haben. Um dies zu gewährleisten, bedarf es bewährter Modelle zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und des Arbeitsorts als auch neuerer Strategien wie Führungspositionen in Teilzeit und Job-Sharing. Für eine erfolgreiche und vor allem langfristige Mitarbeiterbindung gilt es aus Unternehmenssicht, die Bedürfnisse von Müttern in die Unternehmenskultur zu integrieren. Wenn es gelingt, auf die Bedürfnisse der Frauen in Führungspositionen einzugehen und individuelle Lösungen zu finden, werden mehr Mütter als heute bereit sein, Führungsverantwortung zu übernehmen (vgl. Sackmann, 2019, S. 284).

Literaturverzeichnis

Beermann, B., Brenscheidt, F. & Siefer, A. (2008). Unterschiede in den Arbeitsbedingungen und -belastungen von Frauen und Männern (Fehlzeiten-Report). In B. Badura, H. Schröder & C. Vetter (Hrsg.), Fehlzeiten-Report 2007: Arbeit, Geschlecht und Gesundheit Zahlen, Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft(S. 69–82). Berlin: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-540-72544-2_5

Berufundfamilie gemeinnützige GmbH – eine Initiative der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. (2011). Vereinbarkeit von Beurf und Familie – ein Thema für Führungskräfte?. Konstanz: werkzwei.

Franke, M. (o. J.). My mum is working – Wenn das Kind mit ins Büro darf. Zugriff am 20.2.2021. Verfügbar unter: https://arbeits-abc.de/eltern-kind-buero/

Heilmann, K. (2011). Diplomarbeit. Das Selbstbild deutscher und französischer Mütter. Eine empirische Studie zur Familienpolitik. Katharina Heilmann – PDF Kostenfreier Download. Zugriff am 21.2.2021. Verfügbar unter: https://docplayer.org/30645407-Diplomarbeit-das-selbstbild-deutscher-und-franzoesischer-muetter-eine-empirische-studie-zur-familienpolitik-katharina-heilmann.html

Henn, M. (2012). Die Kunst des Aufstiegs: Was Frauen in Führungspositionen kennzeichnet (2nd edition.). Frankfurt am Main: Campus Verlag.

Hunziger, A. & Grüterich, F. (2004). Work-Life-Balance von Führungskräften. Zugriff am 23.2.2021. Verfügbar unter: https://docplayer.org/8107402-Work-life-balance-von-fuehrungskraeften.html

Kleinert, C., Kohaut, S., Brader, D., Lewerenz, J. & Allmendinger, J. (2007). Frauen an der Spitze: Arbeitsbedingungen und Lebenslagen weiblicher Führungskräfte. Frankfurt am Main: Campus Verlag.

Lenz, K. (2009). Soziologie der Zweierbeziehung: Eine Einführung (4. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Mundlos, C. (2015). Wenn Mutter sein nicht glücklich macht: Das Phänomen Regretting Motherhood. München: mvg Verlag.

Sackmann, S. (2019). Führung und ihre Herausforderungen: Neue Führungskontexte erfolgreich meistern und zukunftsfähig agieren. Berlin: Springer.

Schilly, V. (2016). Mütter in Führungspositionen: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Berlin: Springer.

Schneider, N. F., Diabaté, S. & Ruckdeschel, K. (2015). Familienleitbilder in Deutschland: Kulturelle Vorstellungen zu Partnerschaft, Elternschaft und Familienleben. Leverkusen-Opladen: Verlag Barbara Budrich.

Vinken, B. (2007). Die deutsche Mutter: Der lange Schatten eines Mythos (2. Auflage). Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch.

Beitragsbild: https://cdn.pixabay.com/photo/2020/09/07/08/15/woman-5551129_960_720.jpg

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